Mano Negra


Diese Newcomer-Band um den frankospanischen Sänger Manu Chao versteht es. sich in Szene zu setzen. Mit einem triumphalen Auftritt im Pariser „Olympia“ verschaffte sich Mano Negra die höheren Weihen; im März folgten Gastspiele im Pariser Rotlichtbezirk um den Montmartre – in Clubs wie „La Cigale“ oder „Folies Pigalle'“, wo die alte Formel von Sex & Drugs & Rock „n‘ Roll noch immer gilt.

Von französischer Chanson-Seligkeit war weder im Pigalle noch in der ehrwürdigen Konzerthalle des Olympia etwas zu spüren, wo sich Mano Negra als Frankreichs neue Pop-Superstars von einem Publikum huldigen ließen, das seine Gunstbezeugungen auf sehr eigenwillige Weise zum Ausdruck brachte. Der zweistündige Hochenergie-Auftritt der Band wurde von rund 2000 hysterischen Kids mit permanentem Pogo-Gehüpfe beantwortet, das in gefährliche Nähe einer blutigen Slamdance-Schlacht geriet und am Ende in der Massen-Erstürmungder Bühne gipfelte. Aus sicherer Distanz beobachtete Kulturminister Jack Lang vom Rang aus, wie seine jungen Landsleute überschwenglich ein französisches Pop-Revolutiönchen inszenierten.

Die Newcomer-Kapelle, die sich vor eineinhalb Jahren um den berserkerhaften Winzling Manu Chao formierte, ist ein französisches Eigengewächs und hat sich durch unermüdliches Konzertieren und durch die daraus resultierenden enormen Plattenverkäufe der LP PUTAS FEVER zum derzeit erfolgreichsten Pop-Act der Grande Nation entwickelt.

Wie gedopt steigen die exzellenten Mano-Musiker in ihren Set ein. Mit einem manischen Drive, der Punk-Ekstasen à la Clash beschwört, versetzen sie die Fans in Pop-Räusche, und die Atemlosigkeit, mit der sie die erste Viertelstunde angehen, verheißt zunächst nicht mehr als einen angestrengten Kraftakt von Hochleistungssportlern. Dann aber beginnen die acht jungen Franzosen, mit zwei Gitarren, zwei Perkussionisten. Keyboard. Baß, Posaune und Trompete ihre alchimistische Mixtur aus globalen Popstilen zu entfalten. In einer Art Live-Sampling werden Rock ’n‘ Roll, HipHop, Salsa, Rai, Soul, Funk, Flamenco und Ska zu einer Stil-Collage vereinigt, für die Mano Negra den alles und nichts sagenden Begriff „Patchanka“ verwendet. Wie in einer Soulrevue dominiert die atemberaubende Präzision. Roboterhafte Maschinen-Kälte stellt sich dabei nie ein. denn der Frontmann Manu Chao geht so vital bis an die Grenzen physischer Erschöpfung (in Paris tobte er mit gebrochenem Fuß über die Bühne), daß man den Domestiken vermißt, der dem abgekämpften Sänger am Ende der Show wie einst James Brown vom Boden aufhilft und ihm den Bademantel umhängt. Nach getaner Schwerstarbeit erfrischt sich Chao durch ein Bad in der anbetungssüchtigen Menge. Er hechtet kopfüber ins Parkett und läßt sich über die dampfenden Leiber reichen.