„Bird“ – Portrait eines langsamen Todes


Charlie Parker war der genialste Junkie unseres Jahrhunderts. Er gab nicht nur dem Jan eine neue Dimension, sondern beeinflußte mit seinem Improvisationsstil zahlose Rock-Musiker von Jimi Hendrix bis zu Eddie van Halen. Trotzdem schien der "Bird" vergessen.

Das könnte sich in Zukunft ändern. „Bird“, der neueste Film des Ex-Bürgermeisters Clint Eastwood, ist eine überschwengliche Hommage an den Musiker Charlie Parker. Wie schon in Eastwoods letztem Western „Pale Rider“ ist „Bird“ allerdings auch eine sehr düstere Angelegenheit. Eastwood verwendet in einem Großteil seines Films wieder einmal „Available Light Photography“, was nichts anderes heißt, als daß er die Szenen lediglich mit vorhandenem Licht ausleuchtet, ohne zusätzliche Studioscheinwerfer. Das wirkt zwar recht authentisch und realistisch, führt aber auch oft zu dem bekannten „Neger im Tunnel“-Syndrom.

Bewußt lenkt Eastwood so aber die Aufmerksamkeit des Publikums auf die Körpersprache seiner Akteure, deren Gesichter von zufällig wirkenden Schatten verborgen sind. Ein Effekt, der im heutigen Hollywood recht ungewöhnlich ist – — der deutsche Regisseur Robert Weine benutzte ihn bekanntlich 1919 erstmals in seinem Film „Das Kabinett des Dr. Caligari“.

Dann aber erzählt Clint Eastwood seinen Film atmosphärisch dicht und mit viel Feingefühl für die Tragödie des Menschen Charlie Parker. Diese Tragödie wird auf die wesentlichen Faktoren reduziert: ein Mann, seine Musik und die Droge, die ihn zerstört. Das ist zwar alles andere als originell, wirkt aber trotzdem nie langweilig, da sich Eastwood überraschenderweise als gebildeter Cineast entpuppt, der obendrein auch noch viel von Jazz versteht. „Bird“ steckt voller Filmzitate aus der klassischen Zeit des Kinos, Eastwood benutzt Rückblenden und zeitversetzte Ramenhandlung, Montage á la Eisenstein, zitiert Orson Welles‘ „Citizen Kane“ und den ersten Tonfilm „The Jazzsinger“. Das Ergebnis ist ein Film, der dann auch prompt so wirkt, als wäre er in den 40er Jahren entstanden.

Trotzdem: Mit „Bird“ hat sich Clint Eastwood als ernstzunehmender Regisseur der Gegenwart etabliert.

Forest Whitaker, der unlängst bereits als Gefreiter Edward Garlick in „Good Morning Vietnam“ zu sehen war, ist als Charlie Parker verblüffend gut. Der ehemalige Opernsänger hatte bisher nur in Nebenrollen die Möglichkeit, seine Partner -— z.B. Paul Newman in „The Colour Of Money“ -— glatt an die Wand zu spielen. Zur Zeit wird Forest Whitaker in Hollywood als einer der besten schwarzen Charakterdarsteller gehandelt. Whitaker schafft es in der Tat, die verschiedenen Facetten Parkers -— Musiker, Junkie und Lover — mit einer Intensität darzustellen, die manchmal fast schon an emotionale Brutalität grenzt. Diese Tour de Force, komplimentiert durch Eastwoods zurückhaltende Regie, machen „Bird“ zu einem großen Musiker-Portrait.

Kurz nach Charlie Parkers Tod tauchten „Bird Lives“-Graffities auf den Mauern und Bürgersteigen New Yorks auf. Eine Prophezeiung, die 1988 in „Bird“ endlich wahrgeworden ist. Für Nachgeborene ein idealer Einstieg in die Welt eines (fast) vergessenen Musikgenies.