CD-Platten
Die CD-Szenerie wird immer vielfaltiger. Vor wenigen Wochen veröffentlichten die Polygram-Gesellschaften ihr erstes Paket von Maxi-Singles auf Compact Disc (u.a. von Status Quo, Dan McCafferty und den Communards). um die Akzeptanz beim Käufer zu testen. Jetzt wird das Format schon wieder modifiziert. Beibehalten will man die schmalere und zerbrechlicher wirkende Spritzguß-Hülle mit weniger Papier-Beipack, erweitern aber wird man die maximale Speicherkapazität.
Die Spieldauer wird künftig nicht mehr höchstens 18. sondern 20 Minuten betragen. Grund für diese rasche Änderung ist nicht ein Anfall von Großzügigkeit gegenüber dem Maxi-Fan (der für die kurzen“.Silberscheiben“ mit 15 bis 18 Mark immer noch reichlich zahlt), sondern das Bedürfnis der Techniker nach Vereinheitlichung. Die mögliche Spieldauer der Maxi-CD entspricht dann nämlich exakt der des Musik-Segments auf der im Herbst kommenden CD Video-Single!
Die kürzlich angekündigte CDV-Single im 12-Zentimeter-Format wird auf der jetzt noch unbespielten. matt silbergrauen äußeren Fläche bis zu sechs Minuten Laservision-Bild (Videoclips) mit digitalem Ton enthalten — abspielbar allerdings nur auf speziellen Kombi-Playern, die zur Berliner Funkausstellung auf den Markt kommen werden. Wie das funktioniert und was man alles in Sachen CD-Video plant, werden wir hier demnächst noch ausführlich erläutern. Eines steht jetzt schon fest: Die CDV-Player sollen auch bei der bekannten Musik-CD dieselbe hochwertige Technik und Tonqualität bieten.
Vom Erfinder der Digitalplatte kamen jetzt auch die ersten“.Special Price“-Serien (Klassik. Pop. Rock. Schlager) auf den Markt. Dabei handelt es sich praktisch ausnahmslos um Wiederveröffentlichungen aus dem Back-Katalog von Abba und ABC bis zu den Who und Zamfir. COMMUNIQUE von Dire Straits (Vertigo 800 052-2). die SMASH HITS der Jimi Hendrix Experience (Polydor 825 255-2) und SETTING SONS von Jam (Polydor 831314-2) werden jetzt genauso auf Billigpreis-CDs publiziert wie frühe Produktionen von Genesis oder Rod Stewart. Manche dieser Aufnahmen — darunter auch THE BEATLES -FIRST (Polydor 823 701 -2) oder THE ORIGINAL SOUNDTRACK von lOcc (Mercury 830 776-2) – stehen noch für teures Geld in den CD-Regalen der Geschäfte, andere wie Eric Claptons RAINBOW CONCERT (RSO 831320-2) oder GOODBYE von Cream (RSO 823 660-2) sind erstmals auf CD zu haben.
Es lohnt sich also, auf den Preis zu achten. Denn qualitativ sind die von denselben Werkzeugen gefertigten“.Special Price“-CDs natürlich keinen Deut schlechter als die vorher teuer gehandelten Scheiben. Die Digitaltechnik verbietet von selbst so etwas wie „Billigpressung“, wie man sie vielleicht von schwarzen Scheiben kennt.
Ob die Konkurrenz von Ariola und CBS bis Warner Bros, schon bald mit ähnlichen Serien nachziehen wird, steht noch in den Sternen. Dort werden „Oldies“ der 50er bis 70er Jahre noch auf Hochpreis-CDs angeboten, und was zu Discount-Offerten für 17 bis 25 Mark in den Schaufenstern ausgestellt wird, ist in aller Regel praktisch unverkäufliches Repertoire, das niemand haben will: sogenannter „overstock“, den man möglicherweise teuer eingekauft hatte und nun preiswert losschlagen muß.
Da kann es dann passieren, daß man für das gerade 16 Minuten währende Maxi-CD-Debüt von Karl Wallingers One-Man-Band World Party mit dem Titel SHIP OF FOOLS (Chrysalis SCD 1/Ariola Import) doppelt soviel berappen darf wie für einen Zappa-Klassiker auf CD, von der schlicht zu hohe Auflagen produziert wurden. Wie überhaupt die Importsituation bei CD immer undurchsichtiger wird. Pfund und Dollar krebsen weiter auf dem gegenüber der Mark niedrigsten Kurs seit Jahren. An den Käufer wird die günstigste Währungsparität aber nur von wenigen Geschäften weitergegeben.
Von Bob Dylan wurde in den USA inzwischen vieles von BRINGING IT ALL BACK HOME und BLONDE ON BLONDE bis zu MORE BOB DYLAN GREATEST HITS bei Columbia auf CD rausgebracht, und die Importeure machen ihren Kunden den Mund wäßrig mit der Ankündigung, daß in Kürze endlich auch von den Byrds eine GREATEST HITS-Sammlung sowie eine HISTORY OF THE BYRDS (auf 2 CDs die letztere) kommen sollen. Nur: In Europa wurden diese All-Time-Classics leider noch kaum gesichtet.
Was angesichts der rasch wachsen: den Kapazitäten und der drastisch gefallenen Fertigungspreise wenig verständlich erscheint. Bislang scheint es nur die Polygram zu schaffen, die wichtigeren Neuheiten prompt und parallel auf LP. MC und CD in die Geschäfte zu bringen. So war denn RUNNING IN THE FAMILY von Level 42 (Polydor 831 593-2) oder Haindlings HÖHLENMALEREI (Polydor 831669-2) auf CD sogar früher erhältlich als auf Analogscheibe. Dieselbe Eile scheint der Konkurrenz nur in Fällen wie Simply Red’s MEN AND WOMEN (WEA 242 071-2) geboten.
In anderen Fällen muß man sich halt entscheiden, ob man nachträglich doch noch die CD kauft, etwa bei der jüngsten Elvis Presley-Anthologie ES-SENTIAL ELVIS (RCA PD89980), die als CD gleich vier Songs mehr bringt als die Vinylscheibe. Oder bei HOW WILL THE WOLF SURV1VE von Los Lobos (Slash/Metronome 820184-2). das international den Ruhm und Ruf der Tex/Mex-Rocker aus L. A. begründete. Und John Prines AIMLESS LOVE, das erst kürzlich auf LP kam (Demon F1END 84/Teldec Import Service) und bald darauf als CD-Import (Mobile Fidelity Sound Lab MFCD 856). Mit reichlicher Verspätung kam jetzt aus deutscher Fertigung auch das 1968 produzierte Jefhro Tull-Debüt TH1S WAS (Chrysalis 252656-222) auf CD heraus. Daß für das deutsche Plättchen gegenüber dem britischen Import 6 Dezibel mehr Überspielpegel benutzt wurden, macht sich bemerkbar: Ersteres rauscht scheinbar (!) erheblich mehr.
Aber das ist noch vergleichsweise harmlos. Mittleres Grausen muß den Stones-Fan packen, wenn er sich die einmal erworbene Kompilation THROUGH THE PAST DARKLY (als US-Import auf London NCD 3) daheim anhört. Da wurden stereofon aufgenommene Sachen wie „Paint It Black“, Jumpin‘ Jack Flash“, „Mother’s Little Helper“ oder „Street Fighting Man“ allen Ernstes in schlimm klingendem Mono überspielt und bei „Honky Tonk Women“ ein technisch am Anfang völlig defektes Mono-Band benutzt, obwohl die originalen Stereo-Tapes zur Verfügung gestanden hätten. Die liegen schließlich im selben Polygram-Archiv, aus dem auch die Bänder für die Decca-CDs der Rolling Stones genommen wurden. Kaum zu glauben auch: Die japanische Import-CD von Janis Joplins I GOT DEM OL KOZM1C BLUES AGAIN MAMA! (CBS/Sony 30DP309) ist klangtechnisch normal eine Klasse schlechter als die 1969 erschienene deutsche LP-Pressung!
Die „Greatest Hits“-Flut auf CD ergießt sich weiter in die Geschälte, so beispielsweise eine ABSOLUTE AN-THOLOGY 1965-1969 der Easybeats als 2 CD-Set (EMI CDS 746286 8/Electrola ASD). GREA-TEST HITS von AI Green (Hi Records CD 425’Disco Box-Import und TIS). von Carole King (Ode/Epic CDEPC 86043). Mo« The Hoople (Columbia CK 34368/Disco Box-Import) und Sly & Thed Familv Stone (Epic EK 30325 US-Import)‘. In diese beliebte Gattung gehören auch CHER & BOWÜES, eine 20-Song-Kollektion der Lindertones (EMI CDP 746365-2/Electrola ASD). eine COLLEC-TION des Sir Douglas Quintet, leider von etwas zweifelhafter Tonqualität v (Castle Communications CCSCD 133) und die nachdrücklich empfehlenswerte ROCK WITH ME BABY des schon legendären Ruckabilly-Originals Billy Lee Riley mit 22 Aufnahmen aus seiner SUN-Zeit (Charly CD 53/Disco Box Import). Das Charly-Label gehört zu denen, die mit Originalbändern arbeiten und nicht Raub-CDs von mieser Klangqualität bieten.
Dasselbe gilt für WELL WELL WELL …THE UNABR1DGED SIN-GLES COLLECTION der Woodentops (Upside Records UCD 60003-2) und die Singles-Sammluna THE WORLD WONT LISTEN de“r Smiths (Rough Trade CD Uli). In beiden Fällen war der Hersteller die französische Firma MPO. deren CD-Fabrik – milde ausgedrückt — nicht den besten fertigungstechnischen Ruf genießt. Sollte also der Player bei den besagten beiden Scheiben streiken oder merkwürdig zu „spinnen“ beginnen, hilft nur Reklamieren.
Etliche der prominentesten Dauer-Seiler aus dem Island-Katalog liegen mittlerweile endlich auch als Laserplatte vor. darunter Joe Coekers SHEFFIELD STEEL (254668); Marianne Failhfulls Comeback BRO-KEN ENGLISH (251018), Robert Palmcrs mit Little Feat-Hilfe 1974 produziertes Debüt SNEAKIN‘ SAL-LY THROUGH THE ALLEY (250 907) sowie Steve Winwoods ARC OF A DIVER und TALKING BACK TO THE NIGHT (253207 bzw. 254 771. alle Ariola). Technisch bestens restauriert klingt jetzt CATCH BULL AT FOUR von Cat Stevens (258 154); was manch kitschigen Vers nicht besser macht.
Bei den Aufnahmen von Bob Marley & The Wailers dagegen scheint man keine konsequente Linie zu verfolgen. BABYLON BY BUS (350 152) mit knapp 74 Minuten auf einer CD ist klanglich besser als auf Vinyl-Doppelalbum, EXODUS aber (258128) teilweise schlechter! Hinzu kommt, daß fünf der zehn EXODUS-Songs schon in technisch aufgefrischter Uberspielung auf dem CD-Sampler LEGEND zu haben sind. Das verstehe dann, wer kann. Die restlichen fünf Aufnahmen hätte man doch auch nachbearbeiten können.