Murray Head
Eigentlich hatte ich ja mindestens einen Fan-Bus aus Paris erwartet. Im französischen Showbusiness zahlte der Engländer Murray Head nämlich schon lange vor seiner „Nacht in Bangkok“ zu denen, die vor bis zu 15000 Leuten auftreten. Hierzulande aber gab’s ihn zum Anfassen: Ein Glücksfall, denn man muß ihn – und zwar möglichst aus allernächster Nähe wirklich SEHEN.
Dieser Bursche ist vor allem ein erstklassiger Entertainer. Seine Auftritte sollten zur Pflichtlektüre gemacht werden für das arg vernachlässigte Fach „Bühnenpräsentation“. Wie der mit beträchtlichem Charme gesegnete Smartie nicht nur die parfümierten Mädels in vorderster Front (hingabevoll an und auf die Monitorboxen drapiert) einbezieht, wie er mit einfachsten Mitteln aus seinen Songs theatralische Funken schlägt: einfach toll!
Murray Head kann auf Erfahrungen als Schauspieler setzen (wichtigster Film: John Schlesingers „Sunday, Bloody Sunday“). Er bewegt sich bei „Corporation Corridores“ in perfekter Slow-Motion, schlüpft mit Hilfe einfachster Requisiten – eine Fahne, ein Zylinder, eine Puppe auf dem Rücken – in schwer definierbare Rollen, die aber doch spürbar auf die (nicht selten antiimperialistische) Aussage des jeweiligen Songs bezogen sind.
Mimik und Gesten geraten fast zu dramatisch: Auch noch der letzte Eckensteher auf der Galerie soll gemeint sein. Wieselflink springt der 38jährige schon mal auf eine Box, so daß sein Fuß gerade noch im Hochtöner Halt findet. Er gibt sich lasziv-anmacherisch und wird dabei prächtig unterstützt von seiner blondgelockten Gesangspartnerin Nicola Kerr. Die beiden klingen farbiger als manch fünfköpfiger Chor.
Am eindringlichsten hört sich Murray an, wenn er (wie schon vor 15 Jahren als Judas in „Jesus Christ Superstar“) sich in empörte Erregung singt. Aber auch abgeklärte Balladen liegen dem Mann, der nach sieben sophisticated angelegten LPs nun ausgerechnet mit einem fremden Sprechgesangstitel (nix gegen „One Night In Bangkok“!) Furore machte. Er will beweisen, daß er auf den ABBA-Hit nicht angewiesen ist – und trifft auf ein kleines, aber dafür auf seine Songs eingeschworenes Publikum.Rhythmisch zieht Murray die Schraube im Verlauf der knappen zwei Stunden kräftig an: immer rockiger, so daß der Laden brodelt, als sich das Septett konsequent mit einer Theaterverbeugung Schulter an Schulter verabschiedet. Mit Vergnügen erfülle ich Murrays Bitte ans Publikum: „Tell your friends if you want us to come back.“