Genesis – Farbe bekennen!


Über die wenig sensationelle neue Genesis-LP, DUKE, informieren wir Euch kurz unter „Longplayers“. Nun gibt es aber eine Riesengemeinde von Genesis-Fans, die – wie wir wissen — schon sehnsüchtig darauf warten, daß wir ihren Heroen endlich einmal wieder etwas mehr Aufmerksamkeit widmen. Also gut: wir sind zum Interview angetreten, um Neues zu erfahren. Wirklich Neues? Es gilt, endlich Farbe zu bekennen. Und es sollte auch einmal in aller Deutlichkeit gesagt werden: nach all dem ,JPhoenix-ausder-Asche“-Geschreibsel, der „Genesis-habe-nichts-verlorennur-gewonnen „-Theorie und dem Erheben der Gruppe auf die marmornen Sockel des Superstar-Status, sollte aus berufenem Munde zu hören sein: „Genesis 1973, zu Zeiten von SELLING ENGLAND BY THE POUND war eine Kombination von Persönlichkeiten“, definierte sachlich und schlicht Sänger und Schlagzeuger Phil Collins die damalige Personalsituation. Woraus es ein einfaches ist, logisch abzuleiten, daß jedes der fünf Mitglieder Ideen und seine Persönlichkeit in die Band transprotierte und investierte. . . Mit Peter Gabriel verschwand nach THE LAMB LIES DOWN ON BROADWAY die erste stilbestimmende Komponente, der theatralische Szenen- und RolFoto: Robert Ellislengesang und die visuelle Umsetzung desselben sowie die Experimentierfreudigkeit. Mit Steve Hackett’s couragiertem Ausstieg nach dem Live-Doppelalbum SECONDS OUT (welche liebevolle Kommentierung der neuerlichen Trennung!) ging wiederum einiges verloren, nämlich das so typische Gitarrenspiel, die offene Akkordtechnik, das gefühlvolle akustische Zusammenspiel mit Rutherford und Banks und die großangelegten stimmungsvollen Melodiebögen, die Hackett durch seine sensible Auffassung technischer Hilfsmittel alles andere als kalt und technokratisch zu gestalten wußte. Der Zweite war raus, da waren’s nur noch drei. . . Und die Lücken wurden nicht aufgefüllt. Für Tourneen kamen zwar als Schlagzeuger zunächst Bill Bruford, dann Chester Thompson hinzu, da Collins sich bekanntlich auf’s Singen versteifte, und als Gitarrist der Amerikaner Darryl Stuermer. Beide kamen jedoch nie über den Status der hired hands hinaus. Sie spielten auf der Bühne brav ihren Part, die Studioarbeit lastete aber auf dem selbst bewußt-erstarkten Triumvirat Banks-Rutherford-Collins. „Ja, ja. Ich weiß schon, welche Frage jetzt kommt“, grinst Phü keineswegs genervt, ,/ibei ich kann dich beruhigen. Wir bleiben als basic-three-piece zusammen“ verweist er Spekulationen über einen weiteren Ausstieg bei Genesis in den Bereich der Märchen- und Fabelwelt. . . Die „Zehn kleine Negerlein“-Geschichte hat zunächst einmal ausgedient. . . And then there were three. . . „Nein, wir haben uns damals vor den Aufnahmen zu AND THEN THERE WERE THREE nicht hingesetzt und überlegt, wo geht’s nun lang. . . Das taten wir auch nicht vor TRICK OF THE TRAIL, unserem ersten Studioalbum ohne Peter“. Phil möchte Genesis nicht in die Nähe einer kalkulierter. Unternehmung gerückt sehen. Die neue Ära Genesis erscheint trotzdem gleichbedeutend mit einer kommerzielleren, einprägsameren, neoromantischen, aber eben auch kitschigeren Musik. Die subtilen Momente sind verlorengegangen, auch die mystischen, mysteriösen. Phil sieht es einfacher: ,,Es ist einfach humorvoller“, kommentiert er seinen weit extrovertierteren Auftritt als Sänger. Peter Gabriel war nie so richtig greifbar. Collins liebenswerte Kumpel- und „The time has come now We must show our feelings But I’m looking right through you and your heart is empty… “ („Behind the Lines“, 1980, LP DUKE) Clownart war es dann wohl auch, die der Band den lukrativen Markt der Jüngeren und Jüngsten geöffnet hat und Genesis von der Kult- zur Top-Formation expandieren ließ. Und nicht zuletzt gab es da dieses Trivial-Epos als Single: „Follow me, follow you. . .“ Bezeichnend, daß auch die Amis erst zu dieser späten Genesis-Stunde richtig von der Band Notiz nahmen. Phil: „Viele drübenglauben, TRICK… sei unser erstes Album gewesen. Mit DUKE ist nun das zwölfte Gruppenalbum auf den Markt gekommen. ObwohJ Phil Collins erstmals für Genesis als alleiniger Autor zweier (der besten!) Songs in die credits eingeht, behauptet der Drummer: „Wir haben wieder einen Weg gefunden, als Team zusammenzuschreiben. . .“ Daß es dennoch Soloalben gibt von Tony Banks ( A CURIOUS FEE-LING). wie Michael Rutherfords SMALLCREEP’s DAY und Phil Collins endlich eines in Planung hat, soll indes nicht als Indiz für eine baldmögliche Trennung verstanden werden. Nein, diese Solo-Trips und auch Phil Collins‘ Mitspielprojekt ,Brand X‘, besäßen allenfalls ,,Ausgleichscharakter“. „Alle drei Mitglieder schreiben, und es ist unmöglich, das ganze Material in die Band Genesis einzubringen“, erklärt Phil. Das Tummeln auf Solopfaden geschehe also, um Aggressionen und Frustrationen als Folge persönlicher Unfreiheiten aus Genesis herauszuhalten. Im Gegensatz zu Rutherfords und Banks‘ Solo-Werken kann man sich jedenfalls beim besten Willen Collins „And so to F.“ (auf Brand X/PRODUCT) auf keinem Genesisalbum vorstellen. Fazit: Die Lust ist raus. Wenn auch Phil Collins bedeutet, DUKE sei viel konkreter im Inhalt, musikalisch wie textlich. Für Impulse auf der Rockszene sorgen die ach so britischaristokratischen Geschichtchen um Herzog und Herzogin, wenn auch aufgelockert durch ganz persönliche und konkrete Texte (so schreibt Phil über die Trennung von seiner Frau), kaum mehr. Das schaffen dafür Peter Gabriel, Steve Hackett, Brand X und im bescheidenen, akustischen Rahmen Anthony Philips, der erste Gitarrist in der langen Genesis-Geschichte. P.S. Live kommen Genesis vielleicht im Frühjahr 1981. Zunächst werden die Staaten bereist, das ist finanziell lukrativer. Ansonsten: „Please don’t ask me how I feel, I feel well!“