Doctorella

Ich will alles von Dir wissen

Bohemian Strawberry/ZickZack/Indigo

Die Grether-Zwillinge verschränken weiter tapfer Pop mit dem schnöden Leben und der Suche nach der richtigen feministischen Haltung.

Erster Song, erste Zeile: „Ich hab‘ Lust auf Liebe“. Man darf das getrost programmatisch verstehen. Die Liebe, ihre Irrungen und Wirrungen, das Leiden an ihr, die Sehnsucht nach ihr, ihre Übermacht und ihre ungerechte Verteilung, das sind die Themen, die Doctorella umtreiben auf ICH WILL ALLES VON DIR WISSEN. Ausgelutschtes Thema, könnte man jetzt sagen, aber man kann das zweite Album der Berliner Band um die Zwillinge Sandra und Kerstin Grether durchaus lesen als Rückzug ins Private, das aber trotzdem immer politisch bleibt.

Explizit gesellschaftskritisch werden die Grethers, die für sich reklamieren, als Spex-Autorinnen in den 90er-Jahren den Pop-Feminismus erfunden zu haben, diesmal in „Die Ungeheuer mit den sauberen Händen“ und „Vielleicht ist heute der Tag“. Ansonsten reimen sie „Cappucino“ und „Tarantino“ auf „Gehst Du mit mir ins Kino?“ und singen mit wackligen Stimmen eintönige Melodien, während die Gitarren im ewig gleichen mittleren Tempo daher schrammeln.

Diese Kinderlieder für Berufsjugendliche hat man nicht nur so ungefähr, sondern ziemlich genau schon vor nahezu drei Jahrzehnten von den stes sträflich unterbewerteten Lassie Singers gehört. „Die Liebe ist ein Song, der sich nicht reimt, sie ist nicht gut gemacht, nur gut gemeint“, singen die Grethers. So wie Doctorella tapfer Pop-Distinktion mit dem Leben und der verzweifelten Suche nach der richtigen Haltung zu verschränken versuchen, das ist bewundernswert, wirkt aber heute, da ein von Weltstars wie Beyonce, Rihanna oder Taylor Swift geprägter, entpolitisierter Postfeminismus den Mainstream dominiert,  ja nach Standpunkt entweder rührend oder altbacken.