Peter Grant: Der Gigant hinter Led Zeppelin
Es war mehr als eine banale Feststellung, die da 1972 durch die englische Musikpresse geisterte, denn die Notiz hatte es in sich. Einer der bekanntesten britischen Rock-Acts, „Led Zeppelin“, modifizierte seinen alten Vertrag und unterschrieb einen Exklusivkontrakt bei Atlantic Records. Die Verhandlungen wurden unter strengster Geheimhaltung geführt, und bis heute sind keine Einzelheiten des Vertrages an die Öffentlichkeit gedrungen. Aber eines war allen Beteiligten klar: Das war der größte Deal, den Atlantic jemals gemacht hatte. Für die Gruppe unterschrieb ein Typ, der wie ein besserer Haremswächter aussah: Peter Grant.
Was ist das für ein Mensch, der eine der bestbezahlten und bekanntesten Rockbands unserer Zeit managt?
DER KOLOSS
Knapp 40 Jahre ist er alt, oder sollte man in diesem Zusammenhang besser jung sagen? Hinter seiner Stirnglatze kann man nur vermuten, was Ambach ist. Doch so viel ist klar: Seine Gedanken drehen sich nicht nur um Business, Brötchen und Banales. Natürlich: Die meisten geistigen Klimmzüge, die er vollbringt, beschäftigen sich mit den Gruppen, die er managt. Obwohl Led Zeppelin seine Zugmaschine, sein Steckenpferd und der Erfolg ist, den er weltweit vorweisen kann, bestätigen auch die anderen dynamischen Traber (Bad Company, Pretty Things oder Maggie Bell) im Stall des Peter Grant, daß seine Gäule nicht für die Schlachtbank bestimmt sind.
Er kennt die Raffinessen im Business und weiß sich überall dort durchzusetzen, wo es gilt, Ellenbogen zu gebrauchen. Sein Vollbart, schon etwas meliert, ist nur ein äußeres Kennzeichen seiner Männlichkeit. Sicher ist, daß er seine Potenz in knallharten Verhandlungen beweist, wenn es gilt, die besten Konditionen für sich und seine Gruppen herauszuholen nach dem Motto „Was mir nützt, kann meinen Schützlingen nicht schaden“.
DER GIGANT
In den Augen seiner Boys ist er das ‚Teufelsgehirn‘ mit den ‚grausamen Augen‘, der ’spinnerte‘ Ideen realisiert oder einfach der ‚Gigant‘, der ‚Brüter‘ oder schlicht ein ‚Teufelskerl‘. Solchen Aussagen könnte man entnehmen, daß alle, die in seinem Stall stehen, nicht gut auf ihn zu sprechen sind. Aber das Gegenteil ist der Fall. Er wird respektiert wie ein Graf, der sich auf eine stattliche Ahnengalerie stützen kann und fast wie ein Halbgott verehrt. Was ihn sympathisch macht, sind seine Vergangenheit, sein Werdegang und die Art und Weise, wie er mit seinen Trabern umgeht. „Wenn du in diesem Geschäft was werden willst, mußt du mit den Gruppen leben. Du mußt schon vorher wissen, wie der Hase läuft, oder wie eine Sache durchgezogen werden soll.“
Er macht Kohle wie kein anderer in diesem harten Job, und er empfindet es als ganz natürlich, sich heute mit Luxus zu umgeben, wie es auch seine Stars tun.
DER SCHLAGFERTIGE
In seinem Landhaus in Sussex, umgeben von erlesenen Antiquitäten, mit Kühen, Pferden und einem eigenen Bach vor der Tür, da ist er ganz Herr, da gebietet er wie ein orientalischer Kalif über seine Umgebung. Alles ist so gediegen, so vornehm und wertvoll, daß man sich fragen muß, wie er, der Arbeiter, der „working class man“ mit dieser Herausforderung fertig wird. „Das ist mein eigener Stil. Alle Sachen habe ich selber ausgesucht. Ich habe sogar den Pferden ins Maul geschaut, damit man mir keinen Klepper andrehte. Ich war ein Nichts. Meinen Vater habe ich nie gekannt, meine Mutter hat im Krankenhaus Fußböden geschrubbt. Wenn ich heute finanziell auf die Schnauze fiele, und ich alles verkaufen müßte, doesn’t matter, ich würde wieder von vorne anfangen.“ Wenn er etwas anpackt, so hat es Hand und Fuß, Halbheiten sind ihm zuwider. Auf seinem Perfektionstrip hat er viel mit dem Fließbandarbeiter gemein, und so managt er auch seine Gruppen. Er ist der Boß, er hat die Ideen, und sie werden durchgeboxt . . . sprichwörtlich. Einem Händler, der in London Bootlegs von Zeppelin verkaufte, riet er ganz freundlich, es sein zu lassen. Am nächsten Tag waren die LPs noch immer im Laden und im Schaufenster zu sehen. Da hat er dem Besitzer das Gesicht gerade gerückt und sich natürlich eine Anzeige wegen Körperverletzung eingehandelt. Doch darüber kann Peter Grant nur lachen. Über solche Formen der Geschäftsführung kann man streiten, doch der Effekt gab ihm recht: Seitdem gab es in London keine Bootlegs von der Gruppe mehr. Robert Plant und Konsorten waren ihm dafür dankbar, denn sie verdienten an den verkauften Raubpressungen keinen Pfennig. Es ist typisch für den „Battersea“-Arbeiter: Was er auf die Freundliche nicht schafft, macht er mit Gewalt – that’s business.
DER ARBEITER
Peter Graul kann seine Herkunft nicht verleugnen, er legt auch keinen Wert darauf, denn – seine Schützlinge haben einen ähnlichen Lebenslauf – und Gemeinsamkeiten verbinden nun mal. Nach der Schule nahm er in einer beschissenen Metallfabrik in Croydon einen Job an. Der Krieg war vorbei, aber ein geregeltes Leben gab es noch nicht. Die Lebensmittel waren rationiert, und das Geld, das er verdiente, war zu wenig, um sich auf dem Schwarzmarkt Sonderrationen zu leisten. Hunger macht erfinderisch. Grant zog die Konsequenzen und jobbte abends für ein paar Schilling als Bühnenarbeiter im Croydon Empire. Es lag auf der Hand, daß die Leute, die er dort kennenlernte, mit Geld nicht aufzuwiegen waren. Er knüpfte Verbindungen, machte Leute von Film und Fernsehen an. die er durch seine ungehobelte, aber geradlinige Art bestach. Es folgte eine Periode als Fotoreporter bei der Nachrichtenagentur Reuter und jede Menge Bühnenauftritte, denn er brauchte nicht zu schauspielern. Wenn er in kleinen Rollen auftrat, spielte er sich selbst; einen Emporkömmling, der mit jeder Situation fertig wird. Man honorierte ihm seine ungekünstelte, ehrliche Art. Als er dann noch eine Zeitlang Bühnenmanager im Croydon Empire ist, wird ihm klar, daß er Showbusiness machen will und sonst nichts. Er möchte die Fäden ziehen wie John Brendan, ein zu seiner Zeit bekannter Manager, und klemmt sich hinter ihn – mit Erfolg. Der erste Gruppenhammer, den er in England mit Nachschlag verteilt, ist eine Monster-Tour mit Little Eva, Brian Hyland, Gene Vincent und Little Richard. Als Tour-Manager organisiert er die Kiste so, als habe er nie etwas anderes getan. Mit Einsetzen des Gruppenbooms, 1963, jobbt er in der Agentur von Don Arden und Colin Berlin.
DER MACHER
Er nimmt die Animals ebenso unter Vertrag wie die Nashville Teens. Sein Gespür für Kommerz und die Schnelligkeit, mit der er Ideen realisiert, sind so ausgeprägt wie der Geruchssinn und die Behendigkeit eines stromlinienförmigen Rassehundes. Nachdem er es noch packt, Chuck Berry auf die Insel zu holen, steigt er bei Arden und Berlin aus und macht seine eigene Agentur auf. Auch Rückschläge bleiben ihm nicht erspart. Heute glaubt er, daß manche grausame Erfahrung, die er gemacht hat, das Rezept dafür war, um jetzt erfolgreich zu sein. Im August 1967 hört er Led Zeppelin auf dem Knebsworth-Festival, aber es packt ihn nicht sonderlich, was der ehemalige Yardbird-Gitarrist Jimmy Page aus seiner Gitarre peitscht. Fünf Monate später nimmt er sie trotzdem unter Vertrag. Diesen Schritt hat er bis heute nicht bereut – er hatte eine Goldmine entdeckt.
Die erste Amerikatournee der Gruppe finanzierte er aus eigener Tasche. Ohne wesentliche Unterstützung der Medien katapultierte er die Band in die Reihen der Rock-Spitzenverdiener, eine Leistung, auf die er stolz ist und auch stolz sein kann. Led Zeppelin hat seit dem ersten Vertrag, der 1968 bei Atlantic unterschrieben wurde, der Gesellschaft schätzungsweise 100 Millionen Mark eingebracht. Ihre Alben werden noch immer mit 60.000 jeden Monat verkauft. „House Of The Holy“ befand sich beispielsweise zweiundsechzig Wochen in den amerikanischen Charts, und „Led Zeppelin IV“ verließ erst nach drei Jahren die gewinnbringende Notierung in den amerikanischen Hitlisten. Bei diesen Sensationen zuckt Peter Grant nicht einmal mit der Wimper. Was er dabei verdient? „Genug. Aber laß das! Ich frage ja auch nicht danach, wieviel Kohle Du nach Hause bringst.“
Der Erfolg hat ihn nicht nachlässig gemacht. Er bleibt wachsam wie ein Adler, der scheinbar gemütlich durch die Luft segelt.
‚Swansong‘ ist gegründet worden, um auch seine musikalischen Vorstellungen zu realisieren. Das Label braucht keine Goldgrube zu werden. Es versteht sich als eine offene Tür für engagierte Musiker. Doch ausgeflippte Eierköpfe, die sich nicht verkaufen, möchte Peter Grant nicht unter Vertrag nehmen: „Ich führe mich doch nicht selber zur Schlachtbank!“