Tony Williams – Seiner Zeit voraus?


Für Insider ist das keine Hypothese mehr, dass Tony Williams schon heute den Musikstil spielt, der in zwei Jahren „up to date“ sein wird. Wenn man die Musik der Lifetime als progressiv bezeichnet, so ist das zu wenig gesagt. Heute in einer Zeit, wo man Gruppen wie Steamhammer, Chicken Shack und Rolling Stones als „fortschrittlich“ kategorisiert, muss der Stil der Lifetime ohne Einordnung bleiben, out of sight. Lifetime ist eine Synthese – eine Koordination aus Jazz und Pop. Obgleich Lifetime eine Vereinigung von Virtuosen, in dieser Hinsicht mit den legendären Cream vergleichbar, symbolisieren doch zwei Musiker deutlich die stilistischen Grundelemente des Sounds: Tony Williams, ehemaliger Schlagzeuger bei Miles Davis, und Jack Bruce, ex-Bassman der Cream.

Tony Williams war Jazzer aus Oberzeugung bis er 1969 seine eigene Gruppe gründete, in der er seine 15-jährige Erfahrung in einen neuen Sound umsetzte, der wesentlich vom tradionellen und starren Thema des Jazz abwich.

Jack Bruce, mit Cream zur Poplegende geworden, war der Inbegriff des Progressiv-Bassgitarristen überhaupt, bis er 18 Monate nach Gründung der Lifetime zu Tony Williams stiess.

Klein Tony hatte schon von frühester Jugend an einen direkten Draht zur Muse. Sein Vater war ein bekannter Jazz-Saxophonist in Boston, seine Mutter eine begehrte Jazz-Sängerin. Mit 12 hörte Tony zum ersten Mal Miles Davis in Boston. Er war so begeistert und – er nahm sich vor, in einer so ausgezeichneten Combo einmal mitzuspielen, Tony erlebte seinen grossen Durchbruch in New York. Hier wurde er von Jackie McLean engagiert. Mit 17 ging für ihn sein Jugendtraum in Erfüllung. Miles Davis suchte 1963 einen Schlagzeuger, der sowohl unkonventionelle Ideen haben, als auch perfekt in Free und Classical Jazz sein sollte. Er engagiertie Tony Williams. Bis 1969 blieb Tony bei Miles Davis. Dann entschloss er sich, eine eigene Gruppe zu gründen, in der er die musikalischen Erfahrungen seines bisherigen Lebens verwerten konnte: „Lifetime“.

Für die Orgel holte er sich Larry Young, der früher bei Coltrane spielte. Als Sologitarristen verpflichtete er John Mc-Laughlin, einen Spitzenkönner, den viele noch von den Blue Flame, Brian Auger, den Four Tops oder Miles Davis her kennen. Als erstes Werk des Trios entstand ein Doppelalbum „Emergency Volume I and II“. Ein Kritiker schwärmte: „Tony Williams Lifetime hat schon nach kurzer Zeit einen komplexen Ensemblestil entwickelt, der unvergleichbar mit allem ist, was es im Augenblick auf dem Markt gibt“.

Als Jack Bruce der Gruppe beitrat, war die Sensation in der Musikbranche perfekt. Für Bruce bedeutet sein Beitritt, dass er wieder mit seinem alten Freund zusammen spielen konnte, mit John Mc-Laughlin. Beide hatten zu den Zeiten als Ginger Baker in der legendären Graham Bond Band (Solid Bond) die Sticks wirbelte, in eben dieser Gruppe schon einmal dieselbe Suppe gelöffelt. Mit dem Übertritt gab auch Jack sein Leben als Soloartist auf. Der Eindruck, dass der Band erprobte Bassgitarrist, der schon zu Formationen wie die des Alexis Korner, John Mayall’s Bluesbreakers, Manfred Mann und Cream gehörte, sich keiner festen Gruppe mehr anschliessen wollte, hatte getrogen. Als erstes Ergebnis dieser Zusammenarbeit entstand die LP „Turn it over“.

Ohne Prophet zu sein, kann man heute schon sagen, dass sich Jazz und Pop immer mehr angleichen werden, und die Lifetime ist schon heute ein Wegbereiter dieser Evolution.