Der türkische Anti-ZDF-Beitrag ist auch Satire. Der Reporter weiß es nur nicht
Danke, Jan Böhmermann. Jetzt hat das türkische Fernsehen seinen besten Mann nach Deutschland geschickt und uns alle als Heuchler entlarvt.
In dem medialen Kleinkrieg, in den mittlerweile Jan Böhmermann, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan, die deutsche Bundesregierung und – warum auch immer – Dieter Hallervorden verwickelt sind, nimmt immer groteskere Züge an.
Erdogan fühlt sich von einem Schmähgedicht des Moderators Böhmermann (hier im Wortlaut nachlesen) dermaßen verletzt, dass er nun bei der Staatsanwaltschaft Mainz Strafanzeige erstattet hat. Die Pressefreiheit, von der Böhmermann in seiner Sendung „ZDF Neo Magazin Royale“ Gebrauch machte, wird nun also eventuell vor Gericht verhandelt.
Doch damit nicht genug der Strafe für Böhmermann und das ZDF. Das türkische Fernsehen hat einen seiner mutmaßlich besten Männer nach Mainz geschickt, um für den Nachrichtensender A-Haber aufzudecken, wie schlecht es um die Pressefreiheit in Deutschland bestellt ist. Das Ergebnis: sehr schlecht.
Den bizarren Beitrag könnt Ihr Euch hier mit (etwas merkwürdigen) deutschen Untertiteln anschauen:
„Yaz Boz“ (sinngemäß: „Decke es auf und durchkreuze die Pläne“) ist ein Investigativformat, das regelmäßig Intrigen gegen die Türkei aufdeckt, Pläne von westlichen Verschwörern (CIA, Israel, Großkapital, Armenien) aufdeckt und die vermeintlich gute Arbeit der türkischen Medien repräsentiert. Das Ergebnis ist wöchentliche Propaganda, die mit dem Beitrag aus Mainz einen neuen Höhepunkt erreicht hat.
Mevlüt Yüksel, der Reporter aus dem Video, ist eigentlich bei der Tageszeitung „Takvim“ angestellt. Die übergeordnete Mediengruppe „Turkuvaz“, zu der auch der Sender gehört, auf dem die Mainz-Reportage ausgestrahlt wurde, gilt als verlängerter Arm der Erdogan-Partei AKP. Es ist also schon auf dem Papier unschwer zu erkennen, wem der Beitrag den Rücken stärken soll. Der türkischen Regierung, die sich nicht erst seit Böhmermann vorwerfen lassen muss, die Pressefreiheit massiv einzuschränken. Und die jetzt eben medial zurückschlagen will.
Mevlüt Yüksel zerreißt seiner Vorstellung nach alle Vorwürfe von deutscher Seite, da er die Grenzen der deutschen Pressefreiheit angeblich am eigenen Leib erfahren musste, als niemand vom ZDF mit ihm sprechen wollte. Dabei hatte er schlichtweg keine Drehgenehmigung, die man für den Eingangsbereich des Geländes benötigt. Ein Sprecher des ZDF sagte der „Welt“, dass vor dem Dreh auch keine Interviewanfrage des Senders A-Haber vorlag.
Der Nachrichtenbeitrag dokumentiert, wenn denn überhaupt irgendwas, die Hilflosigkeit der türkischen Medien. Wer der Regierung nicht gefällt, verliert seinen Arbeitsplatz oder landet im schlimmsten Fall im Gefängnis. Ausländische Journalisten haben 2016 ihre Akkreditierung und somit Arbeitsgrundlage in der Türkei verloren. Und wenn die Regierungspartei hinter verschlossenen Türen sagt: „Fahr‘ mal nach Mainz und mach da Alarm“, dann muss man als türkischer Journalist wohl nach Mainz fahren und dort Alarm machen. Und vielleicht mit aller Kraft ausblenden, dass man selbst gerade reine Satire dreht.