Hunter Schafer im Interview: „Ich mache die Filmwelt zu meiner eigenen“
Hunter Schafer im Gespräch über das Heraustreten aus der Komfortzone, die Filmwelt als Tanz und ihren Film „Cuckoo“.
Nach zwei Staffeln „Euphoria“ hat Hunter Schafer in „Cuckoo“ (VÖ: 29.08.) nun erstmalig eine Hauptrolle in einem Spielfilm übernommen. Grund genug, um mit der 25-jährigen US-Schauspielerin und LGBTQIA*-Aktivistin über das Heraustreten aus sicheren Gefilden zu sprechen.
ME: Wie bringst du dich selbst aus deiner Komfortzone heraus?
HUNTER SCHAFER: Die ganze Erfahrung, der Filmdreh war an sich schon ein Herauskommen aus der Komfortzone. Ich habe ja vorher noch an keinem Film mitgewirkt. TV war meine Baustelle und als ich nun an ein Spielfilmset kam, fühlte sich das ein wenig so an, als würde ich meine Stützräder abmachen müssen, die ich auf jeden Fall noch beim Drehen von „Euphoria“ dabei hatte. Auf der einen Seite wollte ich das so, aber auf der anderen Seite war das schon auch ein beängstigendes Gefühl.
Beängstigend, weil das Format ein anderes war, auf das du dich einlassen musstest?
Ich wusste nicht, was mich erwarten würde. Ob ich mich beispielsweise bei einem Film anders vorbereiten sollte. Also musste ich mich erst mal überwinden, dass ich in diese neue Situation einfach hineinspringe und trotzdem versuche, so zu agieren, dass ich alles gebe, was ich habe. Denn es war außerdem auch das erste Mal für mich, dass ich den Part der Hauptdarstellerin übernahm. Da war also jede Menge Raum für Nervosität vorhanden.
Wenn du dich aus Gewohntem herausbewegst, kickt da direkt auch mal etwas Imposter-Syndrom rein, von dem du schon öfter in Interviews erzählt hast?
Klar. Ich fühle mich noch so neu in dieser Branche, beim Film, in dieser ganzen Welt. Aber so real und komisch sich auch diese Imposter-Augenblicke anfühlen – ich weiß, ich muss mich davon lösen und das ein für alle Male aus meinem Kopf rauskriegen. Denn das ist ja alles andere als hilfreich. Und was Neues kann ja auch gut sein.
Ist Veränderung oder Kontinuität interessanter für dich?
Im Bestfall geht auch das Hand in Hand. Ich bin ja schon noch dabei, die Sprache vom Film zu lernen. Es ist ein bisschen so, wenn ich am Set bin, als wäre ich gerade noch in der Schule und würde da einen Filmkurs machen. Mit jedem neuen Dreh lerne ich etwas dazu und fühle mich dadurch auch wohler. Das macht, dass ich mich im nächsten Schritt weiter heraustraue und mir auch das Regieführen und Produzieren vorstellen kann.
Stimmt, du hast ja auch schon die Musikvideos zu Anohni and the Johnsons’ „Why Am I Alive Now“ und für girl in reds „hornylovesickmess“ gedreht. Du traust dich also schon heraus.
Genau! Und ja, es ist schon ganz cool, weil so verleibe ich mir das alles nicht nur ein, was ich bei anderen Drehs mitbekomme – ich mache die Filmwelt zu meiner eigenen, indem ich mehr das Leading übernehme.
Was konntest du von den anderen Schauspieler:innen bei „Cuckoo“ lernen?
Für mich ist es immer am aufregendsten, wenn ich die Unterschiede zwischen den einzelnen wahrnehme – wie verschieden sie an die Arbeit im Allgemeinen und eine Rolle im Speziellen herangehen. Denn wenn man Menschen über ihre Herangehensweise beim Schauspielern reden hört, macht es das nicht unbedingt greifbarer. Schauspielerei ist so etwas Abstraktes. Aber wenn ich mit meinen Kolleg:innen eine Szene drehe, dann erlebe ich in Echtzeit mit, wie sie vorgehen, was sie sich dabei denken, was ihr Gedankenursprung ist. In solchen Momenten versuche ich alles aufzusaugen und mir im Kopf Notizen zu machen. Auf diese Weise lerne ich wirklich am besten – durch das Erleben.
Wenn du es richtig anstellst, bist du am Set diejenige, die sich so bewegt, wie es von ihr gewünscht wird. Gleichzeitig sorgt man für die meisten Überraschungen, wenn man aus dem Festgelegten ausbricht und nicht nur nachahmt … Eine schwierige Mischung.
Es ist wie ein Tanz. All diese Dinge passieren gleichzeitig und genau das macht doch dieses Angeknipstheitsgefühl aus. Im Idealfall kann ich mich so weit heraustrauen, dass ich mich selbst überrasche, weil ich vorher nicht gedacht hätte, dass ich das überhaupt in mir habe und weil ich etwas Bestimmtes vorher noch nie in meinem Leben gemacht habe. Ob es nun darum geht, dass ich auf eine gewisse Weise mit jemanden rede oder ob ich dabei meine Stimme mehr als gewohnt erhöhe … Ich meine all diese Extreme, in die man als Schauspieler:in in kürzester Zeit hineingehen können muss. Ich mag, dass das etwas Spielerisches hat, weil man gucken muss, wie man improvisiert. Und gleichzeitig greift man sich seinen eigenen Körper und nutzt diesen, um in alle möglichen Gefühle hineinzuspringen, und dann ist es auch spannend zu sehen, wie der Körper auf all das reagiert, weil er nun mal auf all das reagieren muss. Das hält echt Überraschungen bereit.
Hast du ein Beispiel aus „Cuckoo“ für mich, um mir das näher zu bringen?
Es gibt da diesen einen Augenblick, in dem ich so unfassbar herumschreie. Im Vorhinein war die Szene nicht so festgelegt, dass sie nur in einer bestimmten Art und Weise gedreht und gespielt werden sollte. Deshalb hatte ich schon von Anfang an Lust darauf, mit der Situation zu spielen. Es gab einfach so viele Möglichkeiten! Und dann habe ich es in die verrücktere Richtung gepusht – viel mehr, als Tilman (Singer, „Cuckoo“- Regisseur, Anm.) sich es von mir erwartete. Aber auch mehr als ich es von mir selbst gedacht hätte. Es passierte einfach mitten beim Dreh der Szene und ich war so: „Wow!“ Und eigentlich suche ich im Leben bei allem, was ich tue, nach so einem Wow-Moment. Ich möchte, dass es mich etwas fühlen lässt.
Was lässt dich selbstbewusst fühlen?
Wenn ich mich sicher fühle. Denn erst wenn die Leute und die Umgebung mir ein Gefühl von Sicherheit vermitteln, wir einander unterstützen bei allem, was passiert, dann kann ich mich auch auf alles einlassen und mich aus meiner Komfortzone herausbewegen. Von da aus kann es überall hingehen.