Die da oben

Kirmes in der Luft: Warum Mono Inc. so grimmig wie ein Brief vom Finanzamt sind


Abgründig wie ein Streit mit den Nachbarn: Der Goth-Rock von Mono Inc. ist vor allem sehr deutsch. Die aktuelle Hitparaden-Kolumne von Julia Lorenz.

Aus jedem Reihenhaus führt eine Kellertreppe in die Dunkelheit. Wenn es ein Genre gibt, das in Deutschland unabhängig aller Trends blüht und verlässlich Konzertsäle füllt, dann ist es Gothic im Bratwurststil, brünftiger Alternative-Rock mit dunklen Themen und Kajal und Mummenschanz. Beweisführung: RAVENBLACK, das aktuelle Album der Band Mono Inc., das gerade (bei Redaktionsschluss der ME-Ausgabe 04/2023) auf Platz 1 der Albumcharts steht.

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Gelernt hat die Band aus Hamburg von den Besten ihrer düsteren Disziplin: Den Schmonzettengrafen Unheilig begleiteten sie schon auf Tour, ebenso die Mittelalterrockband Subway To Sally. In mehr als 20 Bandjahren haben sie einen Sound perfektioniert, von dem man sich auf der Heimfahrt von einem blöden Bürotag ordentlich durchföhnen lassen kann, ohne sich selbst und das Elend dieser gebrechlichen Welt zu doll spüren zu müssen.

Schlockig, überkandidelt und natürlich heillos überfrachtet mit Kitsch

Mono Inc. spielen schwergängige Gitarrenmusik mit Gestampfe und Synthesizerquatsch, der sich anhört wie eine Kirmes in der Gruft, schlockig, überkandidelt und natürlich heillos überfrachtet mit Kitsch. Immerzu muss eine dunkle Prinzessin angesungen, immer mal im Grabeston bekräftigt werden, dass Engel niemals sterben, aber eben auf eine Art, die so penetrant vital klingt, dass es einen wütend macht. Nie hören sich die Gitarren so hohl und ernsthaft einsam an wie im Goth und Postpunk der 80er-Jahre, permanent peitscht einen diese Band auf mit ihren Powerchords, auf gar keinen Fall fordert sie einen heraus mit musikalischen oder textlichen Einfällen.

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Nein, in dieser Gruft gibt es keinen doppelten Boden. Diese Gruft ist ein echter safe space für alle, die für echte Düsternis keine Zeit oder Nerven haben. RAVENBLACK ist so abgründig wie ein Streit mit den Nachbarn, so grimmig wie ein Brief vom Finanzamt, so dunkel wie eine Woche, in der man die große Hausordnung erledigen muss. Gothic im Stil von Mono Inc. ist – ha, ha – nicht totzukriegen. Und wahrscheinlich ist dies das Gruseligste an ihrer Dunkelmusik.

Diese Kolumne erschien zuerst in der Musikexpress-Ausgabe 04/2023.