Ace Tee im Interview: „Ich habe so viel Feuer in mir!“
Die Hamburger Musikerin ist so was von ready für alles, was da auf sie zukommen mag. Im Interview erzählt uns Ace Tee: „Ich bin immer hungrig.“ Ein Gespräch über Motivation, Risiken und Familie.
Erst in der vergangenen Woche durften wir Tarin Wilda, alias Ace Tee, im Konzert für #SEATsoundsLIVE x Musikexpress erleben. Wer nicht schon via Livestream dabei war, kann die Show noch ganz schnell hier via YouTube nachschauen. Jetzt hat uns die Musikerin, die den Future-R&B in die Welt herausbringt, im Interview mehr dazu erzählt, wie sie sich selbst motiviert hält und damit auch andere inspirieren möchte, wie sich der Lockdown für sie angefühlt hat und was sie sonst noch so bewegt.
Musikexpress: Wie ist das Tourleben nach so einer langen Lockdown-Zwangspause?
Ace Tee: Ich habe erst kürzlich in Würzburg gespielt und das war schon gut und ich muss auch sagen, dass man sich schnell an die Corona-bedingten Einschränkungen gewöhnt. Aber die Konzerte sind natürlich anders. Wobei ich mich dahinterklemme, dass die Leute richtig was geboten bekommen. Sie sollen sich ja nicht einfach nach der Arbeit wieder irgendwo hinsetzen und nach vorne gucken müssen. Dann könnten sie genauso gut nach Hause vor die Glotze. Da muss mehr gehen!
Wie ist das, wenn du selbst auf eine Show gehst?
Ich bin so gut wie nie auf Konzerten. Nur wenn Freunde von mir spielen, gehe ich dahin. Aber ansonsten habe ich einfach keine Zeit dafür, weil ich so viel unterwegs bin.
Wie gut kannst du im Hier und Jetzt leben?
Dabei hilft mir meine Familie. Sie geben mir die Liebe und Unterstützung, die ich brauche, um auch den Moment genießen zu können. Sie versuchen echt immer am Start zu sein.
Alles andere als selbstverständlich auf jeden Fall.
Ja, schon. Ich unterstütze meine Eltern und Großeltern auch immer mal finanziell. Ich komme aus ärmlichen Verhältnissen, aber meine Mama hat so viel gearbeitet, sodass ich mehr Möglichkeiten habe. Und nun möchte ich da was zurückgeben. Auch wenn das nicht immer so leicht war. Ich meine, ich bin eine Schwarze Frau. Und in Deutschland hast du da zwar Chancen, aber du musst sie auch wirklich sofort greifen. Und das mache ich. Weil ich damit auch andere, junge Schwarze Frauen inspirieren möchte, die aus ähnlichen Umständen wie ich kommen.
Was willst du ihnen mitgeben?
Ich will ihnen sagen, dass man auch mal was riskieren muss. Man muss auffallen. Ich mache ja so auf frech und funky und das passt nicht unbedingt ins gängige Gesellschaftsbild. Weil ich dadurch alles andere als perfekt wirke. Aber ich finde halt, dass alle tun sollten, worauf sie Lust haben. Ich will alle Frauen da draußen motivieren, mit mir die New Wave 2021 zu gründen. Zusammen sollten wir laut sein und uns gegenseitig motivieren, sodass auch Männer irgendwann verstehen und akzeptieren, dass wir so sind wie wir sind. Man kann uns nicht alle in einen Topf werfen.
Wie meinst du das?
Es fühlt sich oft so an, als würde es in der Außenwirkung nur so fünf Frauen in der Musikszene geben und da müsste man jetzt ein Ranking aufstellen, welche besser wäre als die andere. Aber dabei gibt es so viel mehr und alle sind verschieden.
Meinst du damit die Presse, die so ein Bild vermittelt?
Ich meine vor allem Männer untereinander. Rapper und Produzenten. Und als Frau bin ich schon oft noch in der Branche die einzige in einem Raum voller Männer und da kann es vorkommen, dass ich mit toxischer Männlichkeit konfrontiert werde, klar.
Toxische Männlichkeit im Rap ist ja so ein Thema, das gerade viel in den Medien besprochen wird …
… und ich kann da nur sagen: Rapper, hört auf mit euren Fans zu schlafen! Das ist doch die erste Regel.
Rapper, hört auf mit euren Fans zu schlafen!
Welche weiteren Probleme siehst du?
Ach, es gibt so viel mehr Probleme, wo fängt man da überhaupt an? Das finde ich schwierig. Ich wünschte, dass wir jetzt erst mal alle wieder lernen, einander auch zu lieben. Ich habe nämlich so ein bisschen das Gefühl, dass viele Leute während der Corona-Krise anti-social und narzisstischer geworden sind und aufgrund neuer psychischer Probleme auch nicht mehr so aufgeschlossen gegenüber Gefühlen sind – und das ist doch total schade.
Wie gehst du deine Gefühle in Songs an?
Wenn ich etwas runterschreibe und in einen Song verpacke, fühlt sich das immer an, als würde danach ein Schloss drum herum einrasten. Wenn ich dann den fertigen Track höre, bin ich selbst überrascht, in welchem Zustand ich mich da befand. Aber gleichzeitig weiß ich: So unangenehm es sein kann, sich extrem offen in der eigenen Musik zu zeigen, so viel kriegt man dann auch an gutem Feedback später zurück. Das stärkt mich. Weil sich Leute damit identifizieren können – ich bin mit den Gefühlen nicht allein.
Du betonst ja gerne, dass dein Sternzeichen Zwilling ist. Woran merkt man das denn?
Na ich bin nicht nur eine Sache. Ich bin ein Tomboy, aber dann auch wieder das totale Girl. Ich konnte immer schon gut mit Jungs, aber auch mit Mädchen. Und jahrelang habe ich Tennis gespielt, war aber auch sehr an Cheerleading und Animes interessiert. Das hat mich alles geformt.
Inwiefern haben dich konkret Animes geprägt?
Die Charaktere und der Style haben immer noch einen enormen Einfluss auf mich. Ich habe ja nicht nur meinen Künstlernamen daher genommen, sondern ganz unbewusst auch mittlerweile so komplett den Look mit dem Hut und der Brille. Es gibt halt diesen einen Charakter, der das Feuer an seiner Seite hat, weil er eine Teufelsfrucht gegessen hat und seitdem die Kraft besitzt, das Feuer selbst zu entfachen. Und das kann ich so gut nachvollziehen. Ich habe so viel Feuer in mir! Ich muss das regelrecht runterdrücken.
Aber warum willst du da was unterdrücken?
Na weil ich mich noch weiterentwickeln möchte und das geht nur so. Ich habe zwar Skills, aber ich muss noch viel mehr lernen. Zum Beispiel will ich Gitarre- und Bassspielen können. Und mich noch in so viel mehr Musiker*innen und Genres hineinfühlen. Das gehört halt auch zum Zwillingsein – ich will immer noch mehr entdecken. Denn nicht der Erfolg ist das Ziel, sondern der Weg ist das Ziel. Jeden Tag die Motivation aufzubringen, das zu machen, was man liebt – das ist es.
Und dafür riskierst du auch mal was.
Genau. Ich möchte nicht mit 60 vor meinen Kindern sitzen und ihnen von Früher erzählen und ständig so was sagen müssen wie: Das habe ich nicht getan und das habe ich mich nicht getraut. Was wäre das für eine Lehre für sie? Ich will mich bis zum Äußersten ausleben. Dafür bin ich bereit. Ich will reisen! Neue Kulturen kennenlernen! Mehr über meine eigene Kultur erfahren! Mehr lesen! Halt lernen. Und so leben, als wäre dieser Tag der letzte. Um dann später mit meinen Kindern darüber lachen zu können, was ich alles gemacht habe. Aber das sind dann wenigstens Erfahrungen, die ich weitergeben kann. Sodass sie mir danach sagen können, dass ich komplett veraltete Sachen erzähle und sie ja viel klüger sind. Weil die Jungen sind eh immer viel klüger. Gott sei Dank wachsen wir gerade in eine neue Zeit rein. Ein bisschen Umdenken ist momentan auch nicht schlecht.
Ich will reisen! Neue Kulturen kennenlernen! Mehr über meine eigene Kultur erfahren! Mehr lesen!
Wie hast du die Lockdown-Zeit wahrgenommen?
Das war schon sehr komisch für mich. Aber es hatte auch ein paar gute Sachen mit sich gebracht. Nämlich dass man weniger Gelegenheitsbekanntschaften um sich hat und dass man auch mal Zeit für sich beanspruchen kann und muss – um sich so zu versichern, dass man okay ist. Das war für mich am Anfang sehr krass, aber dann auch nicht unbedingt schlecht. Ich habe generell immer versucht, das Beste aus der Situation zu machen. Um auch in dieser Zeit immer mit einem Lächeln ins Bett gehen zu können. Das ist mir schon wichtig. Und wenn das mal nicht klappt, muss ich mir sagen können, dass der nächste Tag besser wird. Denn ich habe Hunger. Ich komme aus der Hood. Ich bin immer hungrig.
Was ist dein täglicher Luxus?
Wirklich mit meiner Familie abzuhängen.
Du hattest vorhin von dem fehlenden Support in der Musikbranche erzählt. Gibt es denn nicht irgendeine Art von feministischen Netzwerk in der Rapszene, das dich interessieren könnte?
So was finde ich schwierig, weil das schnell nach Zwang klingt und falsch rüberkommen kann. Ein Frauen-Netzwerk kann ja schlecht repräsentativ für alle sein. Jede hat doch so ihre eigene Mission. Wir sind nicht alle im selben Film. Und das zu behaupten, wäre komisch. Support untereinander muss eher natürlich passieren. Wir müssen noch mehr Veranstaltungen und Situationen schaffen, wo Frauen sich treffen können – ganz ohne Druck.