Yelle :: Safari Disco Club

V2/Cooperative/Universal

Elektronisch aufgemotzter Francopop, der den alten Klischees nicht entkommt. Wie schön!

Von sehr weit hinten, wie vom anderen Ende der Musik her, hört man Plastic Bertrand rufen: „Ça Plane Pour Moi!“ Das heißt in etwa: „Bei mir läuft’s prima!“ Und der so rief, tat dies auf Grundlage eines unterhaltsamen Missverständnisses: Auf der anderen Seite des Ärmelkanals (tatsächlich ist Plastic Bertrand Belgier, aber auf jeden Fall ein Francopop-Phänomen) wurde der wütende nihilistische britische Punk nämlich eher als eine Lizenz zum unschuldigen Herumtoben angesehen. In der Folge des frühen New-Wave-Hits (1977) kam auch Frankreich punky und new-wavig drauf und erlebte als nach den 60er-Jahren nur noch wenig ergiebiges Popland mit Acts wie Les Rita Mitsouko und Sternchen wie Lio eine kleine Renaissance. In dieser Tradition hopst heute Yelle neonfarben und deofrisch durchs Bild. Sie sang auf dem besten Stück des Crookers-Debütalbums („Couleur Couleur“), veröffentlichte ihre Pflichtsingle bei Kitsuné und wird in einem furchtbar coolen sowie geschäftstüchtig-multidisziplinären Club- und Stylekontext gebucht und goutiert, in dem Yelle heute den Hit des Wochenendes abliefert, sich morgen als Model kontrastreich kolorierte Minikleider über ihren dünnen Körper zieht und übermorgen das T-Shirt entwerfen könnte, mit dem du am Samstag gern gesehen werden willst. Den Sound ihres zweiten Albums unter anderem elektronisch von Moritz Friedrich alias Siriusmo aufmotzen zu lassen passt bestens in diesen Kontext. Safari Disco Club arbeitet sich auf ansehnliche und durchaus abwechslungsreiche Weise an angesagten Disco- und Clubsounds ab, also inzwischen auch unter besonderer Berücksichtigung der 90er-Jahre. Aber was diese Platte tatsächlich zum Popspaß macht, ist ihr Bekenntnis zur oben benannten Tradition: Yelle ruft in langen Vokalen, trällert und summt Bubblegum-Melodien, wie man sie aus (süd-)europäischen Discos im Ohr mit nach Hause trug, als es den Begriff Eurodisco noch gar nicht gab. Mit einem Charme, der in jedem Takt ist und deshalb durchaus penetrant das Klischee bedient. Die Francopopplatte des Jahres.

Story S. 31