Roedelius :: Selbstportrait I

Selbstportrait II

alle: Bureau B/Indigo

Elektronische Klänge aus einer fernen Zeit. Ohne Patina.

Anderthalb Jahre nach Gründung von Kluster im Jahre 1969 trennten sich Hans-Joachim Roedelius und Dieter Moebius vom Karlheinz-Stockhausen- und Joseph-Beuys-Schüler Conrad Schnitzler, der seine eigene Wege gehen wollte. Kluster hinterließen aus dieser kurzen Phase drei Alben und wurden zu Cluster, die zusammen mit dem Produzenten Conny Plank umgehend ihr Debüt Cluster 71 aufnahmen. Avantgarde, Störgeräusche, abstrakte Töne, Soundeffekte, Improvisationen und lärmende Passagen von Kluster sind geblieben, sie fallen aber moderater aus. Das Trio arbeitet bei aller Verweigerung von durchgängigen Harmonien doch mit Rhythmik. Dabei klingen die Tracks „7:42“, „15:43“ und „21.32“ – wobei die Titel und ihre Spielzeit nicht ganz identisch sind – wie Prototypen des Ambient und die Vorwegnahme der Industrial Music. Da es für diese außergewöhnliche Musik keinen adäquaten Genrebegriff gab, wurde sie mit dem albernen Namen „Kosmische Musik“ belegt. Diese beginnt irgendwo und endet nirgendwo, und falls jemand das mal wieder als Krautrock bezeichnet möchte: Wo bitte ist der Rock? Cluster 71, das nun im Originalcover mit original Track-Reihenfolge wiederveröffentlicht wird, gehört zu den zeitlosen Meisterwerken, was auf Selbstportrait I nicht im gleichen Maße zutrifft. Diese Soloarbeiten von Roedelius entstanden zwischen 1973 und 1977 in Forst im Weserbergland in ruhigen, privaten Momenten. Aufgenommen wurden diese sanft fließenden und tagträumenden Elektronikklänge nicht im Studio, sondern mit einer alten Revox-Bandmaschine. Die ließ der gebürtige Berliner einfach laufen, wenn er ganz alleine an seiner Farfisa-Orgel saß mit Rhythmusmaschine und Echogeräten. Weil das Geld knapp war, benutzte Roedelius auch gebrauchte Bänder, was sich zwar im Klang niederschlägt, aber nie stört. Selbstportrait II schließt sich nahtlos an, entstanden die ambienten und entschleunigten Miniaturen mit ihrer friedvollen Atmosphäre doch direkt im Anschluss in der Zeit von 1978 bis 1979 in Österreich, dort wo Roedelius heute noch wohnt. Die Mittel, mit denen er damals arbeitete, waren bescheiden. Die Wirkung der bisweilen entrückten Stücke ist es bestimmt nicht.

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