The real Little Britain :: Fish Tank

Von Andrea Arnold, mit Katie Jarvis, Michael Fassbender, Großbritannien 2009

Erwachsenwerden im Ghetto von Essex: Der beste Teenagerfilm, den man sich vorstellen kann.

Das Bildformat ist das, was dem Zuschauer zuerst auffällt, wenn sich der Vorhang für FISH TANK hebt. Der zweite Film der Schottin Andrea Arnold (Ihr Erstling: RED ROAD) ist im klassischen Fernsehformat realisiert. Das wirkt für Augen, die die Standardbreitwandformate gewohnt sind, fast quadratisch, eng, klaustrophobisch. Aber Arnold weiß genau, was sie tut. Nicht nur wegen des Versuchs, mit allen gegebenen stilistischen Mitteln das Gefühl einer hermetisch abgeschlossenen Welt zu vermitteln. Sondern auch, weil FISH TANK dem Fernsehen einiges schuldet. Einerseits hatte der Brite Alan Clarke – das offensichtliche Vorbild Arnolds – seine berühmten Porträts aus der Bahn geratener Jugendlicher (Scum, Made in Britain, Elephant) allesamt für das Fernsehen realisiert, andererseits wirkt Arnolds 15-jährige Protagonistin Mia wie eine realistische Interpretation der sensationell unflätigen White-Trash-Göre Vicky Pollard aus den Sketchen der subversiven Comedyserie Little Britain. Auf halbem Wege zwischen diesen beiden Extremen folgt die Filmemacherin ihrer Protagonistin durch den trostlosen Alltag in den Sozialsiedlungen von Essex. Die Welt, die der Film zeigt, ist trist. Der Film ist es nicht. Weil seine Heldin sich nicht aufgegeben hat, sich nicht fügt in ein aussichtsloses Leben mit ihrer geschiedenen Mutter, die ihre Hoffnungslosigkeit mit Alk, Partys und Männerbekanntschaften ersäuft, und ihrer vorlauten kleinen Schwester, deren Überlebensstrategien deutlich rücksichtsloser sind. Mia sucht ihre kleinen Fluchten. In einer leerstehenden Wohnung übt sie selbstvergessen Tanzschritte und die Kamera hält stoisch auf ihr Gesicht. Immer wieder versucht sie ein angekettetes Pferd auf einem Schrottplatz zu befreien. Und dann tritt Connor in ihr Leben, der attraktive, entspannte und rücksichtsvolle neue Freund ihrer Mutter, und mit ihm das Versprechen einer harmonischen Zukunft. Er, gespielt von Michael Fassbender, hört alten Funk und Soul und wirkt überhaupt wie aus der Zeit gefallen. Und entpuppt sich dann als Verräter, was FISH TANK mit einem Mal finstere Pfade betreten lässt, die man in einem weniger guten Film nicht betreten wollen würde. Andrea Arnold und ihrer fabelhaften Hauptdarstellern folgt man jedoch bereitwillig bis ans bittere Ende.

Start: 23. September, www.fishtankmovie.com