The Soft Pink Truth

Shall We Go On Sinning So That Grace May Increase?

Thrill Jockey/Indigo (VÖ: 17.7.)

Drew Daniels hat schon mit Anohni und mit Björk gearbeitet. Sein neuer, entspannter House steht düsterem Metal gegenüber – zwei Seiten einer Medaille.

Mit seiner Hauptband, dem experimentellen Electronica-Duo Matmos, macht Drew Daniel schon mal ein Album kreiert ausschließlich aus Plastikbauteilsounds. In einer Zeit, in der jeder Kack zum Konzeptalbum erklärt wird, hat Daniel offenbar wirklich eins. Das hat sich auch schon bis zur Klangkönigin Björk rumgesprochen, die Matmos an ihre Tafelrunde lud, also zu sich auf die Bühnen und ins Studio fürs VESPERTINE-Album 2001. Und man weiß, die Königin lädt nur die erste Liga ein, von Arca bis The Haxan Cloak. Klangritterschlag!

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Das Seitenprojekt von Drew Daniel, The Soft Pink Truth, lief seit 2003 eher nebenbei, obwohl man spätestens 2014 beim Black- Metal-Cover-Album WHY DO THE HEATHEN RAGE? hätte aufhorchen können, auf dem immerhin Anohni (damals noch als Antony und ohne die Johnsons) zu Gast war. Zitat Drew Daniel: „Black-Metal-Leute werden dieses Album nicht mögen – weil es Schwuchteldisco ist.“

The Soft Pink Truth verdienen große Aufmerksamkeit

Doch jetzt gibt’s endgültig keine Ausreden mehr, The Soft Pink Truth verdienen große Aufmerksamkeit. Diese neun neuen, zarten Tracks bewegen sich so elegant zwischen House, smarten Jazz-Anklängen und Minimalharmonien, aber kaum je düster, sondern heilsam. Bach fürs 21. Jahrhundert. Fast schon zu entspannt, hätte man meinen können, dafür dass das weitgehend instrumentale Album – die Vocals sind angehauchte Vokale – sich laut Drew Daniel am globalen Aufstieg des Konservatismus abarbeitet.

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Man lehnt sich wohl aber in Zeiten akuter Queerphobie in Polen, Ungarn und Russland nicht zu weit aus dem Fenster, wenn man den titelgebenden Aufruf dazu, weiterhin zu sündigen, damit die Anmut steige, auch als Plädoyer für mehr gewagte Queerness liest – schließlich hat Daniel in der Vergangenheit auch schon den 1982er Punk-Song „Homosexual“ der Angry Samoans gecovert, der Schwule zum Wichsen auffordert und ihnen ein „We love you“ bekundet.

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Gemessen daran klingt „Shall We Go On“ vielleicht etwas harmlos, aber The Soft Pink Truth haben auf Bandcamp zudem ein Schwesteralbum gepostet, klanglich aus dem dunklen Spiegeluniversum. Allesamt Coverversionen von Crust-Punk, der sich zwischen Punkrock und härteren Spielarten des Metal bewegt. „Fuck Nazi Sympathy“ lässt keine Fragen offen. „Shall We Go On“ ist dazu der klangliche Kontrapunkt, denn sich in Rage zu rocken ist ja nicht die einzig legitime Form von Katharsis und Protest. Auch House ist mit seinen schwarzen, schwulen Wurzeln per se antifaschistisch.

SHALL WE GO ON SINNING SO THAT GRACE MAY INCREASE? im Stream hören:

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