DVD
HATUFIM – IN DER HAND DES FEINDES (STAFFEL 1)
Wienerworld/H’art
Weniger Thriller, mehr Drama
Kann ein Kriegsgefangener jemals wirklich heimkehren? Dieser Frage geht Autor und Regisseur Gideon Raff nach. „Hatufim“ („Die Entführten“) erzählt von zwei israelischen Soldaten, die 17 Jahre lang von der Hisbollah gefangen gehalten wurden und in eine stark veränderte Gesellschaft zurückkehren. Die Serie diente als Vorlage für den US-Hit „Homeland“ und brach 2010 in Israel trotz des niedrigen Budgets -allein der „Homeland“-Pilot kostete mehr als beide Staffeln zusammen -alle Zuschauerrekorde. Trotz inhaltlicher Parallelen betont Raffs Produktion die emotionalen Aspekte, während die US-Version mehr auf Spannung setzt. Getragen von einem brillanten Schauspiel-Ensemble, ist „Hatufim“ anspruchsvoller, aber auch behäbiger. „Homeland“-Fans warten also lieber auf die zweite Staffel „ihrer“ Serie im Herbst.
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Renzo Wellinger
MINISTRY -ENJOY THE QUIET – LIVE AT WACKEN 2012
13th Planet Records/UDR/Wacken Records
Ministry in Wacken, aufwendig inszeniert
Die Industrial-Pioniere um Al Jourgensen sind vom Schicksal gezeichnet: 1981 gegründet, 2008 aufgelöst und vor zwei Jahren reformiert, durchliefen in 32 Jahren drei Dutzend Musiker die einst als elektronisches Projekt konzipierte Band. Zwei Mitglieder sind bereits verstorben: Bassist Paul Raven trat 2007 ab, Gitarrist Mike Scaccia Ende 2012 während eines Auftritts in Fort Worth, was dem Doppel-DVD/CD-Set „Enjoy The Quiet -Live At Wacken 2012“ eine besondere Note verleiht. Jourgensen, nach Heroinmissbrauch Gevatter Tod schon häufiger von der Schippe gesprungen, wird jedenfalls nicht müde, den Auftritt vor 75 000 enthusiastischen Krakeelern in den höchsten Tönen zu preisen. Überzeugungsarbeit leistet der mit zig Kameras in HD-Qualität und 5.1.-Sound aufgezeichnete Mitschnitt allemal. Als Bonus gibt’s das Wacken-Konzert von 2006. Nur schade, dass der Übergassenhauer „Jesus Built My Hotrod“ im Repertoire fehlt.
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Mike Köhler
HENDRIX -THE GUITAR HERO
Classic Artists/Universal
Heldenepos! Dass Jimi Hendrix in nur vier Jahren das Spiel auf der Stromgitarre revolutionierte und dabei großartige Musik schuf, ist keine sonderlich originelle Erkenntnis – auch 43 Jahre nach dem allzu frühen Heimgang ist seine Musik noch lebendig. Ist es daher wirklich nötig, dass einem in Jon Brewers Dokumentation meist reifere Herren noch einmal erzählen, wie gut Jimi war und warum er so gut war? Denn genau das sind die beherrschenden Themen, verbalisiert u.a. von Stephen Stills, Lemmy Kilmister und Eric Clapton, als Erzähler fungiert Slash. Über den Musiker Hendrix, seine Wurzeln und Beweggründe erfährt man vieles, bahnbrechend neue Einsichten werden nicht serviert. Für Novizen ist das in Ordnung, für fortgeschrittene Fans zu wenig. Und überhaupt: All die Live-und TV-Schnipsel, die auf YouTube kursieren, endlich mal in bestmöglicher Qualität auf DVD zu kompilieren, wäre weitaus nahrhafter. Musik sagt mehr als tausend Worte.
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Uwe Schleifenbaum
THE HOUR (STAFFEL 1)
Polyband/WVG
„Mad Men“, Made in England „Mad Men“ hat’s vorgemacht: Detailgetreu inszenierte Serien um vergangene Epochen sind Quoten-Garanten. Auch die bislang in zwei sechsteiligen Staffeln produzierte BBC2-Reihe „The Hour“ weiß mit originalgetreuem Dekor, authentischen Kostümen und zeittypischen Dialogen zu faszinieren. Zumal sich der Sender quasi selbst zitiert: Im Prä-Swinging-London Mitte der Fünfziger plant die BBC ein Nachrichtenmagazin namens „The Hour“ – investigativ und kritisch aufgestellt. Mittendrin im rasch durch Spionage, mysteriöse Todesfälle sowie erotische Verstrickungen aufgepeppten Sujet steht ein junges Team, angeführt von einem weit weniger idealistischen Anchorman mit strammem Eliteschuldrill und bestem Draht zum Establishment. Das vielschichtige Porträt einer Klassengesellschaft ist gewürzt mit skurrilem Humor, ausgeklügelter Spannung und der heutzutage wohl unverzichtbaren Prise Soap.
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Mike Köhler