KINO
FEUCHTGEBIETE
von David Wnendt, Deutschland 2013 mit Carla Juri, Meret Becker, Christoph Letkowski
Stinkt zum Himmel: wider Perfektion und Körperkultur Willkommen zu Deutschlands erstem wirklichen Popfilm: Nach seinem erstaunlichen Erstling „Kriegerin“ verfilmt David Wnendt nun Charlotte Roches Erstlingsroman so überraschend spielerisch und verspielt, wie man es von einem deutschen Film womöglich nicht erwarten würde. Nun könnte man nörgeln, dass der collagenartige und ganz unmittelbare Bebilderungsansatz 17 Jahre nach Danny Boyles „Trainspotting“ so frisch und originell auch nicht mehr ist, aber die schiere Lust am Fabulieren und Ausreizen von Tabus (Erektionen! Muschis! Sperma! Analfissur!) ist so mitreißend, dass man dem anfänglich so kompromisslosen und kompromisslos unterhaltsamen Film sogar verzeiht, dass er das unbändige Bedürfnis der Protagonistin nach Körperlichkeit mit Kindheitstraumata zu erklären versucht. Vor allem aber hat „Feuchtgebiete“ die unerschrockene Carla Juri, die nicht nur haargenau so aussieht wie Jane Birkin auf dem Cover von HISTOIRE DE MELO-DY NELSON, sondern auch genauso rockt.
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Start: 22. August
ELYSIUM
Von Neill Blomkamp, USA 2013 mit Matt Damon, Jodie Foster, Sharlto Copley
Future Now: Action auf dem Rücken der geschundenen Massen „District 9“ kam 2009 aus heiterem Himmel und machte den Regisseur Neill Blomkamp zum neuen Star des Geek-Universums. Sein Bedürfnis nach Message, während er die Welt in die Luft sprengt, treibt auch den Nachfolgefilm, in dem die Reichen auf eine Raumstation im Orbit der Erde geflüchtet sind, während der Rest der Menschheit auf gigantischen Müllhalden für die Lucky Few malocht. Weshalb ein einfacher Mann, der aussieht wie Matt Damon in einem Muskelanzug, sich als moderner Robocop erheben muss gegen all diese Ungerechtigkeit. Das Morlock-Eloy-Spiel wäre schnell ermüdend, wäre Blomkamp nicht so ein kinetischer Regisseur: Die Action ist hier die wahre Revolution.
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Start: 15. August
THE BLING RING
von Sofia Coppola, USA 2013 mit Emily Watson, Katie Chang, Israel Broussard
Generation TMZ: Der Klassenkampf trägt Louboutins.
Und es begab sich, dass die Prinzessin sich aus ihrem goldenen Käfig abseilte, von dem aus sie die besten inhaltsleeren Filme über Prinzen und Prinzessinnen in goldenen Käfigen gedreht hat, die man zur fluffigen Musik von Phoenix schneiden kann. Die amerikanische Kritik erkannte Subversion darin, dass ausgerechnet Sofia Coppola -Inbegriff des privilegierten Rich Kids und Hollywood-Bluebloods -einen Film über den Bling Ring gedreht hat, eine Clique von Kids aus dem Valley, die Ruhm und Reichtum aus erster Hand miterleben wollten und deshalb Luxusklamotten und mehr im Wert von mehr als drei Millionen Dollar aus Häusern von Weltstars Paris Hilton entfernten. Wenn sich das daran ablesen lässt, dass diese Kids von ihren Besitztümern und der ganzen, na ja, Existenz und so mindestens so gelangweilt sind wie die C-Promis, von denen sie gestohlen haben, dann, ja dann ist der Film subversiv. Aber vor allem auch leer und, langweilig. Marie-Antoinette würde sie Kuchen essen lassen.
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Start: 15. August
PAIN &GAIN
Von Michael Bay, USA 2013 mit Mark Wahlberg, Dwayne „The Rock“ Johnson, Anthony Mackie
Mehr Muskelkraft, weniger Hirn: Michael Bay haut auf die Zwölf.
Dass ausgerechnet Michael Bay und Sofia Coppola in ein und demselben Jahr den mehr oder minder selben Film drehen würden, zählt sicherlich zu den größeren Wundernissen des laufenden Kinojahres: Wie „The Bling Ring“ basiert auch der neue Film Bays auf einem wahren Fall. Auch hier geht es um arme Schlucker, die an ihr Anrecht glauben, von all dem Reichtum etwas abzuhaben. Doch bei Bays unappetitlicher schwarzer Komödie sehen wir Bodybuilder, die auch vor Folter und Mord nicht zurückschrecken, um ihr bisschen vom amerikanischen Traum abzubekommen. Das ist wie „Fargo“ nach der Lobotomie: So laut, gnadenlos und dumm, dass es schon wieder wahr sein muss.
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Start: 22. August