DIE 20 BESTEN DISCO-SONGS 1972 – 1980


1972 DETROIT EMERALDS – FEEL THE NEED IN ME

Darüber, was genau der erste Disco-Track ist, streiten die Experten, auch Manu Dibangos „Soul Makossa“ oder „The Love I Lost“ von Harold Melvin &The Blue Notes werden häufig in den Ring geworfen. Bei diesem Stück vor allem bemerkenswert: Die Streicher, die sich ohne Schmalz über den Uptempo-Beat legen.

1974 LABELLE – LADY MARMALADE

Was für ein Bass. Und was für eine Stimmgewalt! Labelle, eine Girlgroup mit der zeittypischen Doo-Wop-Vergangenheit in den späten 50er-Jahren, modernisierte sich Anfang der Siebziger radikal, zog nach London, tourte mit The Who und adaptierte den Glamrock-Look. Das Ergebnis: dieser Hit, nach immerhin 16 Jahren Band-Existenz.

1975 BOHANNON – DISCO STOMP

Der ehemalige Stevie-WonderSchlagzeuger Hamilton Bohannon schälte aus simplen Funk eine Art Proto-Disco, in der er die Tiefen und Stampfrhythmen akzentuierte und Songstrukturen zugunsten eines treibenden Dschungelbeat-Gemischs auflöste. 1975 erschien „Disco Stomp“ und entwickelte sich in den Clubs zur Hymne, ohne in den USA nennenswerte Verkäufe zu erzielen. In Europa kam der Song auch in die Charts.

1975 VAN MCCOY & THE SOUL CITY SYMPHONY – THE HUSTLE

Auch bei Van McCoy dauerte es mit dem Erfolg: 19 magere Jahre im Musikbusiness hatte er hinter sich, als ihm der New Yorker DJ David Todd von diesem neuen Tanz „The Hustle“ erzählte. Van McCoy machte sich sofort an die Arbeit: Eine gute Stunde, so heißt es, brauchte er, bis er dazu diesen monoton stampfenden, mit groovenden Flöten, Handclaps und flehenden Aufrufen, doch endlich den „Hustle“ zu tun, aufgepeppten Instrumental-Hit geschrieben hatte.

1976 THE TRAMMPS – DISCO INFERNO

Der wichtigste Beitrag aus dem Soundtrack zu „Saturday Night Fever“, der nicht von den Bee Gees stammt. Auch die Trammps hatten ihre Wurzeln im Philly-Soul. Mit „Disco Inferno“ erreichten sie ein Weltpublikum über Soul-Liebhaberkreise hinaus.

1976 THELMA HOUSTON – DON’T LEAVE ME THIS WAY

Diese Dame war für einen Auftritt in der Disco-Ära prädestiniert. Ihr bis heute bestes Album SUNSHOWER (1969) enthält wunderbare Orchesterarrangements aus der Feder von Jimmy Webb. So verwunderte es kaum, dass man ihr sieben Jahre später diesen für Harold Melvin & The Blue Notes geschriebenen Song aus der Hitschmiede von Gamble &Huff zuschanzte.

1977 BRAINSTORM – LOVIN‘ IS REALLY MY GAME

Hi-Speed-Disco at its best: eine wild gewordene Bassline, die nur die punktgenauen Bläser im Zaum halten können und dazu die euphorische Überstimme von Belita Woods. Unter Connaisseuren eine unschlachtbare Kuh – dieses frühe Werk der Band hätte den weltweiten Siegeszug vorbereiten sollen – hat es wie so oft im Genre aber nicht.

1977 GIORGIO MORODER – FROM HERE TO ETERNITY

Seit 1965 mischte Moroder als Sessionmusiker, Komponist, Produzent und Interpret zahlloser Schlager mit. Dann begann der spätere dreifache Oscar-Gewinner, von Philly Soul, Tangerine Dream und Kraftwerk inspirierte Elektro-Suiten auf Albumlänge zu strecken. 1977 erschien dieses Minimal Werk, das Moroder das Prädikat „Techno-Pionier“ eintrug. Blubbernde Synthies, pochende Bassline, weibliche Backing-Vocals und Vocoder: Das Prinzip funktioniert heute noch.

1977 CERRONE – SUPERNATURE

Mitte der 70er-Jahre kam die beste Disco-Musik aus Europa. Nicht nur von Moroder, sondern auch von Jean-Marc Cerrone aus Paris. Der frühere A&R des Touristikunternehmens Club Med (!) provozierte zunächst mit grenzpornografischen (und in den USA verbotenen) Covern zu LOVE IN C MINOR und CERRONE’S PARADISE, bevor ihm dieser große Wurf gelang: Das zusammen mit Lene Lovich geschriebene Stück zwang Tänzer fast zehn Minuten lang in seinen Bann.

1977 BEE GEES – STAYIN‘ ALIVE

Kult. Alleine schon deshalb, weil dieser Feger gleich zu Anfang von „Saturday Night Fever“ auftaucht und John Travolta einen ersten Glanzauftritt beschert. Sicher, Barry Gibbs Hyänenstimme geht an die Grenze der Toleranz, aber die Melodieführung, das Arrangement und eine unverwechselbare Bassline machen „Stayin‘ Alive“ zu einem Song mit Eckwertcharakter.

1977 DONNA SUMMER – I FEEL LOVE

„Ich habe die Musik der Zukunft gehört“, ereiferte sich Klang-Katalysator Brian Eno während der Produktion von HEROES im Berliner Hansa-Studio und spielte David Bowie diese Nummer vor. Er fügte hinzu: „Diese Single wird den Club-Sound komplett verändern.“ Er hatte recht.

1977 SUPERMAX – LOVE MACHINE

Zwei schwarze Schönheiten tanzen im Catsuit, davor steht ein Typ teilnahmslos am Moog und sieht so aus, als würde er lieber in einer Heavy-Metal-Band spielen. Dieser Typ, Österreicher, Kurt Hauenstein mit Namen, findet sich unglaublich toll. „I’m a love machine in town, the best you can get in 50 miles around“, preist er sich über die Dauer von neun Minuten an. In Deutschland wurde die Nummer ein Riesenhit, in den USA erreichte sie immerhin Platz 96 der Charts. Notiz am Rande: 1983 unternahmen Supermax eine dreiwöchige Konzertreise durch die DDR. Die Gage: 50 000 Ostmark, die allerdings nicht ausgeführt werden durften. Der Versuch, das Geld für Antiquitäten zu verjubeln, scheiterte: So teuer war in der DDR nix.

1978 SYLVESTER – YOU MAKE ME FEEL (MIGHTY REAL)

Sylvester James war die erste und wohl auch größte männliche Diva der Disco-Ära. Bevor er seinen Langzeitpartner Patrick Cowley traf, der ihm Klassiker wie den hier aufgeführten auf den Leib schneiderte, trat er in Musicals auf und war Mitglied des Transen-Ensembles The Cockettes. Sylvester galt als Fixpunkt der Szene: Er arbeitete mit Aretha Franklin und war mit Patti LaBelle eng befreundet. 1988 setzte AIDS seiner Karriere ein tragisches Ende.

1978 CHIC – LE FREAK

Es war ein Protestsong: Bernard Edwards und Nile Rodgers wollten zur Silvesterparty ins „Studio 54“, doch Grace Jones hatte vergessen, sie auf die Gästeliste zu setzen. Während sie da diskutierten, ließ der Türsteher unter anderem einen Mann mit Affen und einen Sanitäter mit Lachgas passieren. Die aufgebrachten Musiker stoben wütend davon, kauften sich ein paar Flaschen Champagner und jammten betrunken in Nile Rodgers‘ Appartement. Das Ergebnis nannten sie von „Fuck Off“ in „Le Freak“ um und verkauften damit fünf Millionen Platten.

1978 GLORIA GAYNOR – I WILL SURVIVE

Ursprünglich war „I Will Survive“ nur die B-Seite zu „Substitute“, einer Coverversion eines Righteous-Brothers-Songs, den kurz zuvor die südafrikanischen Clout zum Hit gemacht hatten. DJs drehten die Single kurzerhand um und ließen „I Will Survive“ so lange rotieren, bis die Nummer in den USA auf Platz 1 der Charts ging. Auch wenn seitdem jede zweite Minderheitenbewegung das Stück zu ihrer Hymne erkoren hat und kaum eine Fußballkurve an sich halten kann, behält das Lied vom Durchhalten seine Kraft: Mehr Melodie war in der Disco nie.

1979 ANITA WARD – RING MY BELL

Was der Chor im Refrain zu „Ring My Bell“ säuselt, ist an Blödsinnigkeit kaum zu übertreffen. Der 22-jährigen Anita Ward war der Song anfangs selbst zu doof. Eigentlich sollte er auch von einer Elfjährigen gesungen werden (mit weniger anzüglichem Text). Zudem war er nur ein Uptempo-Alibi für Wards Debüt SONGS OF LOVE. Erst als Henry Stone, Chef von TK Records, Produzent Frederick Knight auf das Potenzial der Nummer aufmerksam machte, nahmen die Dinge ihren Lauf.

1979 AL HUDSON & THE PARTNERS – YOU CAN DO IT

„You can do it and you k now t hat you can / There’s nothing to it. Just go ahead and do your dance“, lautete der Vorschlag von Al Hudson und seinen Partnern. Die Crew legte sich für dieses Stück einen Funk-Sound zurecht, den sie später unter dem Namen One Way noch weiter ausbaute.

1979 SISTER SLEDGE – HE’S THE GREATEST DANCER

Kathy Sledge war eine Art Ur-Beyoncé, die jeden Kerl um die Finger wickeln konnte. Ein Hit für sie und ihre drei Schwestern ließ trotzdem auf sich warten. Das änderte sich, als Nile Rodgers und Bernard Edwards (ja, Chic) von Atlantics Labelleitung grünes Licht bekamen, mit dem Act ihrer Wahl nach Belieben Schlitten fahren zu dürfen. „He’s The Greatest Dancer“ begeistert mit Kathys Raubkatzenstimme, Rodgers tödlich schnittiger Rhythmusgitarre und dem Schlagzeugspiel von Tony Thompson.

1979 SHEILA & B. DEVOTION – SPACER

Der von Chic produzierte Song über einen charmanten Rittersmann aus dem All erschloss der französischen Showgröße Sheila ein völlig neues Publikum. Vorher cashte sie als naives Bauernmädchen mit fröhlich dahinhoppsenden Schlagerchansons ordentlich ab. Nach ihrem kurzen Ausflug in andere Dimensionen ging es mit der Plattenkarriere der heute 67-Jährigen allerdings stetig bergab.

1980 LIPPS INC. – FUNKYTOWN

Dass Disco ein eher schnelllebiges Genre war, das kaum längerfristige Karrieren hervorbrachte, ist bekannt – und im Auge des jeweiligen Betrachters als Fluch oder Segen zu sehen. Das Brainchild von Produzent Steven Greenberg, Lipps Inc. hatte entsprechend dieser Regel nur einen Hit. Doch der war gewaltig und hätte eigentlich für zwei gereicht: unfassbar, wie geschmeidig sich hier ein todesprägnantes Funkriff und eine zwingende Synthie-Melodie die Hand geben.