DIE WAMPE SITZT


Veränderung hilft ja auch nicht immer. Sogar wenn das, was ist, nicht mal gut ist, aber so unreformierbar, dass jede Veränderung es erst richtig schlecht machen würde. Also lässt man es so, wie es ist. Die Kunst besteht dann nur noch darin, dieses Etwas nicht bloß zu ertragen, wie es ist. Sondern seine Unveränderlichkeit wertzuschätzen, als eigene Qualität: Das kann so bleiben, das muss so bleiben. Weil es anders nicht geht. Bon-Jovi-Musik zum Beispiel ist nicht gut, war nie gut, wird nie gut sein. Bon-Jovi-Musik ist jedoch auf eine so perfekte Weise unreformierbar, dass sie schon wieder relativ einzigartig ist. Bei jedem Lied, ob alt oder neu, denkt man: Wer da was empfindet, den will ich nicht kennen. Der muss eine derart mittelmäßige sogenannte Gefühlswelt besitzen, dass ich ihn dort nie, nie, nie besuchen wollen würde, auf diesem öden, fremden Planeten. Wo man immerzu bloß durchhält, wo die Freude nach Pick-up-Auspuff riecht und die Liebe nach nutzlos vergossenem Schweiß schmeckt, dem eines Arbeitstages auf einem Abreißkalender namens Leben, dessen rot markierte Höhepunkte aus Wochenenden in räudigen Hotelcasinos im Nirgendwo bestehen. Bier, Sex, kein Glück im Spiel, aber die Wampe sitzt und das verrutschte Tattoo auch. Bon-Jovi-Musik ist wie Amerika jenseits der großen Städte, leer und ereignislos und eben unreformierbar. Alles korrekt so weit. Aber auch bloß: arrogant. Man muss sich in so ein räudiges Hotelcasino setzen im Nirgendwo, sagen wir Nevada, wo diese Zeilen gerade entstehen, und die Menschen beobachten, die Dicken, Alten, Kranken, wie sie so dasitzen vor ihren Slot Machines und bei Bon Jovi mitwippen, den alten Liedern natürlich. Das ist kein schönes Bild. Vielleicht besteht die Kunst ja darin, für die Wirklichkeit keine Abscheu zu empfinden, nicht mal unerbetenes Mitleid. Wer weiß, was die Dicken, Alten, Kranken von einem selbst so denken, während sie träumen. Und Bon Jovi läuft.