HINTERHOF-JARGON


HipHop im Frühjahr 2013. Das Land wird regiert von netten Jungs mit irre engen Hosen und noch weiterem Horizont. Soweit der Kanon, und alle stimmen begeistert ein, vom „Spiegel“ bis zur Bambi-Jury: weiße Westen, lila Wolken, rosarote Brillen. Dabei ist die Farbe der Saison Asphaltgrau. Und der Sound der Stunde kein Hipster-oder Emo-, sondern Gangstarap. Von den Massenmedien unbemerkt, ist eine Generation von Hinterhofreportern herangewachsen, die wenig am Hut hat mit den schmissig-smarten Schulhofhits von Cro und Casper. Die neuen Helden heißen Xatar, Celo & Abdi und Haftbefehl, SSIO und Schwesta Ewa. Neben der geografischen Nähe – alle kommen aus dem erweiterten Rhein-Main-Gebiet – ist ihnen ein eher traditionelles HipHop-Verständnis gemein sowie ein ureigener Umgang mit der deutschen Sprache. Wenn hier von Babos, Bubillen, Bratans und Brudis fabuliert wird, müssen selbst Kenner die Ohren spitzen, um ein Wort zu verstehen. Doch hinhören lohnt sich. Packende Adrenalinanekdoten („Ein Dieb kann kein Dieb beklauen“) wechseln sich ab mit nachdenklichen Betonballaden („In meinem Land“) und politisch unkorrekten Prahlereien voller 7er-BMWs, Spielhallen, Handys mit Prepaid-Karte und Besorgungsfahrten nach Venlo. Das kann man moralisch bedenklich finden. Aber es ist auch: authentisch, frisch und unterhaltsam. Nach den letztjährigen Genre-Klassikern von Celo & Abdi (HINTERHOFJARGON) und dem derzeit wegen eines Goldraubs inhaftierten Bonner Xatar („415“) hat nun der größte Popstar seiner Szene nachgelegt. Haftbefehl ist ignorant und talentiert, sein Flow erinnert an den jungen Biggie Smalls. Auch auf seinem dritten Album, BLOCKPLATIN (Azzlackz/Groove Attack), bringt er punktgenaue Punchlines in seinem multinationalen Kauderwelsch („Kampfstil Tunceli“) und erklärt genau, warum Rudis auf Harakets verzichten sollten, wenn sie keine Hektiks wollen. Capiche? Wenn nicht, kein Problem. Ist halt Frankfurt. Brudi.