Pop Art


Die Pop-Kolumne von Dirk Peitz

Ein origineller Bond-Song? Musikalisch ein Widerspruch in sich

iTunes-Charts vom

22. Oktober 2012, Platz 4: Adele, „Skyfall“

Das Erwartbare wird seltsam gering geschätzt. Dabei ist das Erwartbare, die Variation des allzu Bekannten, doch die Arbeitsgrundlage nicht bloß der Popmusik, sondern jeder populären Kultur, womöglich gar – ja-ha – der menschlichen Existenz überhaupt. Und der größte Schwindel der Popmusik war stets das Versprechen: Wenn du das hörst, bist du originell. Denn es finden sich ja doch immer Leute, die exakt das Gleiche originell finden wie man selbst.

Das Wunder der Popmusik ist, dass man sich trotzdem ganz allein von ihr gemeint fühlt, und dass diese enorme Massenverdrängungsleistung selbst Teil des Genusses ist: We’re in this together, all alone, und alle klatschen im Takt, einzeln, zusammen.

Ein origineller Bond-Song: Das wäre schon musikalisch ein Widerspruch in sich, und Adele Adkins, Joel Pott und Paul Epworth haben gar nicht erst versucht, einen originellen zu schreiben. Bond-Songs leben von ihrer Zitathaftigkeit; tun sie seit „Goldfinger“ etwa durchs komplett unironische Paraphrasieren des Bond-Themas von Monty Norman, und an diese Tradition hält sich „Skyfall“. Im Weltrettungskontext wirkt Ironie einfach unseriös.

Ein erwartbarer Bond-Song: Das ist eine pompös orchestrierte Midtempo-Nummer mit extrablechernen Blechbläsern und übertriebenen Streichern; hat sich historisch so entwickelt. Die Balladen-Phase der Bond-Songs der späten 70er- und frühen 80er-Jahre war ein Missverständnis, aber ein kleines, gemessen an Madonnas bescheuerter Idee, es könne so etwas wie einen Bond-Dancetrack geben. „Skyfall“ ist beruhigend allzu bekannter Midtempo-Pomp, also spitze.

Sogar die Lyrics von „Skyfall“ muss sich ein Bond-Song-Lyrics-Algorithmus zusammengereimt haben. Der Text fängt mit dem Weltuntergang an und hangelt sich dann runter zur weiblichen Ansprache an ein nicht näher bezeichnetes männliches Gegenüber, das die „Sicherheit liebender Arme“ bietet. Die von James Bond können damit nicht gemeint sein, denn seit Daniel Craig ihn spielt, hat Bond keine Arme mehr im eigentlichen Sinne, sondern oben am Rumpf zwei Muskelberge, und von Liebe hat dieser Spion auch vor Craig noch nie was verstanden. Er fickt halt gern.

Würde James Bond selbst nun originell werden, es wäre sein Untergang.