Rock’n’Roll Realschule


Wolfsburg ist bekannt für zwei Dinge: den überraschenden Sieg bei der Deutschen Fußball-Meisterschaft 2009 – und, eh klar, für solide Vierräder. Aber die Stadt will mehr: Kunst, ja, Kultur, sowieso, Rock’n’Roll, unbedingt.

Eines vorweg: Tatsächlich ist in Wolfsburg jedes zweite Auto ein Volkswagen. Klar, dass man da auch mit einem VW-Bus vom Bahnhof abgeholt wird. Ziel ist ein Kulturzentrum in der Innenstadt, dass die Räume eines ehemaligen Schwimmbades zu einer Art Jugendclub der Superlative umfunktioniert hat – komplett mit Restaurant, Kino und Konzertsaal. Für einen Samstagmorgen ist in diesem Jugendclub ungewöhnlich viel Betrieb. Überall sitzen junge, modebewusste Nachwuchs-Rockstars. Sie gehören zu den zehn Bands, die an diesem Wochenende zur Bandfactory der VW Sound Foundation eingeladen wurden. Als vielversprechende Talente in den Bereichen Rock, Pop und Hip-Hop soll ihnen an diesen zwei Tagen das nötige Rüstzeug für eine Musikerkarriere mit auf den Weg gegeben werden. „Es wird ein anstrengendes Wochenende!“ kündigt Organisator Christian Reich schon in seiner Begrüßungsrede an.

Was Anfang der 90er-Jahre als Sponsoring-Aktion für Super-Bands wie Genesis, Pink Floyd und The Rolling Stones begann, entwickelte sich schnell zu einem Sprungbrett für junge Musiker. Jedes Jahr bewerben sich Dutzende Bands und Solomusiker, die von einer Expertenjury bewertet und schließlich für das Förderprogramm ausgewählt werden – 18 pro Jahr. Sie erhalten Unterstützung bei der Pressearbeit, bei der Vermittlung von Auftritten und einen eigenen Tourbus. Eines der Highlights ist der zweitägige Workshop.

Direkt nach dem Frühstück zieht der Tross in den Kinosaal, der für dieses Wochenende in einen Hörsaal verwandelt wurde. Erster Tagesordnungspunkt: Theorie. Wie schütze ich mein geistiges Eigentum? Was kostet es, ein Konzert zu organisieren? Wie verkaufe ich mich als Künstler richtig? In drei Vorträgen von Vertretern des Bundesverbandes der Musikindustrie, einer Bookingagentur und eines Plattenlabels erfahren die Jungmusiker Nützliches aus dem Business-Alltag. Clevere Zwischenfragen beweisen: Hier sitzt kein Haufen von Hinterhof-Muckern. Die hier wollen es wissen.

Neben der Theorie geht’s an diesem Wochenende vor allem um das musikalische Talent der Bands. Nach dem Mittagessen folgt das eigentliche Highlight der Bandfactory: die Showcases. Jede der zehn Bands muss ihre Livequalitäten vor einem Expertengremium beweisen. Zwei Songs, zehn Minuten haben sie dafür Zeit. Die meisten sind näher an der 20 als an der 30, doch Bühnenpräsenz, Songwriting und das Spiel an den Instrumenten lassen glauben, dass man es hier mit abgeklärten Vollprofis zu tun hat. Stilistisch wird hier vieles geboten: whiskey-getränkter Bluesrock von The Fog Joggers, dadaistischer Techno-Rap von Susanne Blech, laszives Elektrogepoppe von Zoe.Leela.

Nach jedem Auftritt gibt es Kritik von den Experten. Die siebenköpfige Jury aus Choreografen, Gesangstrainern, PR-Beratern und Promotern lässt sich nicht zu Soostschem Dummgeschwätz oder Bohlenschen Beleidigungen hinreißen. Mängel werden angesprochen, an denen am nächsten Tag in Einzelsitzungen gearbeitet werden soll.

Bei den Teilnehmern sind die Absichten klar. Sie wollen es schaffen. Dieses Wochenende ist ein guter Schritt in die richtige Richtung. „Socializing“ und „Vernetzung“ sind die Stichworte, die Christian Reich schon am Morgen angesprochen hat und für die vor allem die Abende genutzt werden. Aber nicht alle werden es schaffen. Die Berlinerin Zoe von Zoe.Leela sieht es gelassen, für sie ist es dann eben vor allem „doch nur Musik.“

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