Wenn Man Im Ausland Landsleute Trifft


Am deutschen Wesen ... ? Mit ihren neuen Alben werden RAMMSTEIN und TOKIO HOTEL das Image der Deutschen im Rest der Welt wieder mehr prägen, als es Politiker könnten.

Wer heute eine Reise tut, kann sich vorab ausführlich informieren: in Reiseführern, ob es im Traumland üblich ist, Trinkgeld zu geben, beim Reisewetterbericht, ob man den dicken Pulli einpacken sollte, und beim Auswärtigen Amt, ob Angst vor Selbstmordattentätern angebracht ist. Und noch etwas wäre sehr nützlich, aber das liefert einem keiner: den Auslandspopbericht. Schließlich wird das Bild des Deutschen in der Ferne nicht zuletzt bestimmt von dem Bild, das die hiesigen Exportartikel abgeben. Also von deutschen Autos, deutschen Baumaschinen, deutschen Waffen und, blicken wir den Tatsachen ins Auge: Tokio Hotel und Rammstein. Denn es ist nun mal so: Daheim mögen Grönemeyer, vielleicht auch Ärzte oder Tote Hosen erfolgreicher sein. Im Ausland aber kennen sie noch von früher Kraftwerk, Can und Nena – und neuerdings eben ostdeutsche Brachialrocker und Teemeschwärme. Wenn nun also Universal seine beiden international lukrativen Zugpferde fast gleichzeitig mit neuen Platten ins Rennen schickt, wird das die Auslandswahrnehmung Deutschlands entschiedener beeinflussen als, sagen wir mal, die soeben absolvierte Bundestagswahl. Sich dieser Außenwirkung völlig bewusst, veröffentlichen Tokio Hotel ihr drittes Album HIIMANOID parallel auch in einer englischen Version. Das Konzept der Band baut auf Internationahtät: Der Mix aus Manga-Ästhetik und Gitarrenrock verbindet geschickt zwei der prägenden Jugendkulturen unserer Tage-und funktioniert in Tokio ebenso wie hierzulande sowie eben in Frankreich, Israel und den USA, wo Bill Kaulitz zur Ikone einer Generation aufgestiegen ist; wie die Band mit ihrer Herkunft umgeht, ist dabei übrigens kein Thema. Tokio Hotel sind wohl der erste Kulturexport dieses Landes, der die Herausforderungen der Globalisierung offensiv angenommen hat: Dass sich Kaulitz auf dem Cover von Hl’MANOID eine neue Rolle als Maschinenmensch zulegt, führt das Spiel mit interkulturell kompatiblen Zeichen geschickt fort. Rammsteins kommerzielle Durchschlagskraft auf dem Weltmarkt beruht auf der entgegengesetzten Idee: auf der so offensiven wie augenzwinkernden Bestätigung deutscher Klischees. Folgerichtig erscheint das sechste Studioalbum LIE-BE IST FÜR AI.I.K DA auch in den USA nur in deutscher Ausgabe – aber natürlich mit dem unverzichtbaren Markenzeichen, Till Lindemanns gerolltem „r“; die offensichtliche Komik dieses Ansatzes war im Ausland dereinst schneller erkannt worden als in Deutschland.

Dass der Blick von Rammstein vor allem über die Grenzen hinaus gerichtet ist, bestätigt die Single „Pussv“. Die Zeilen {„Take me now, ob don’t you see, I can’t get laid in Germany“) mögen eine Klage über den Propheten sein, der sich im eigenen Land missverstanden fühlt, ist aber halt englisch. Dafür werden in den Strophen alle verfügbaren Schlagwörter verwendet, die im Ausland sofort verstanden werden: „Mercedes Benz und Autobahn“ grummelt Lindemann, singt von „Fräulein“ und von „Schnaps“, bevor er den “ Blitzkrieg mit dem Fleischgewehr“ eröffnet und schließlich seine „Bratwurst in dein Sauerkraut“ steckt. Auch die sexuelle Provokation, unterstützt von einem pornösen Video, scheint eher auf den prüden US-Markt gerichtet. Zwar adelte „Bild“ die Band nach ihren Bemühungen mit dem Ehrennamen „Rammelstein“, aber in einer YouPorn-gestählten Gesellschaft taugt selbst diese Sinnzusammenhängen weitgehend abholde Pose nicht mehr zur radikalen Aussage, sondern verkommt zum bloßen Marketinginstrument. Nun bleibt abzuwarten, was diese nur graduell modifizierten Inkarnationen der beiden prägendsten deutschen Bands ihrer Zeit bewirken werden. Nicht zuletzt dank Rammstein und Tokio Hotel hält man uns im Ausland nicht mehr durchwegs für im Stechschritt marschierende Nazis, sondern für ein bisschen durchgeknallt, irgendwie ganz niedlich und doch mit einem gewissen Humor ausgestattet. Was so schlecht ja nicht ist: Früher waren wir Deutschen doch immer nur die Typen, die sich mit den Engländern um die Liegestühle am Hotelpool stritten.