Das Bunte Leben


Die Australier Empire Of The Sun ziehen sich lustig an und machen bunte Musik, um uns aus dem Tal der Indie-Düsternis zu führen.

Luke Steele hat gerade sein Abendessen versaut. Er habe ein bisschen zu frei herumexperimentiert an dem Pfannengericht, mutmaßt er mit schläfriger Stimme und gluckst: Das Ergebnis sei „horrible“. Lustig, sich den Mann, den man seit Wochen mit Paradiesvogel-Outfits und großzügigem Make-up auf airbrushhaften Photoshop-Fantastereien und in hochexotischen Videosettings posieren sieht, vorzustellen, wie er zu Hause im australischen Perth in seiner Couch hängt, einen Telefonhörer am Ohrund einen Teller voll dampfendem Küchenunfall vorsieh.

Lustig auch, dem NME beim Fachsimpeln zuzuhören, der Steeles neues Bandprojekt Empire Of The Sun bereits als „post-MGMT dream pop“ katagorisierte, dabei aber geflissentlich undiskutiert ließ, wer hier eigentlich genau „post“-was ist. MGMT waren der gerechte Hype 2008, wie sie mit Stirnbändern und buntem Art-Pop den Indie-Kids der Welt ein paar Blumenkinder-Werte beibogen. Allein: Die auf herkömmliche Coolness-Parameter pfeifenden Space-Hippie-Looks, in entrücktem Falsett gesungenen Ohrwurm-Refrains, Elektro-angehauchten, verspielten Arrangements, dazu ein paar herzhafte (Prog)Rockismen – die gab’s alle ein paar Jahre vor MGMTs schon bei, eben: Luke Steeles Band The Sleepy Jackson. Deren Debüt LOVERS von 2003 weist eine verblüffende sonische Nähe zu MGMTs ORACULAR SPECTACULAR auf, bis hin zu den sehr ähnlichen Stimmen von Steele und Andrew VanWyngarden. Waren The Sleepy Jackson (die übrigens weiter existieren) ihrer Zeit voraus? „Hm. Ich weiß nicht recht“, sagt Steele. „Auf jeden Fall sind MGMT eine tolle Band.“ Davon konnte er sich überzeugen, als er im Dezember das Vorprogramm von MGMT in Australien beschallte. Dass das gut passen könnte, war wohl auch dem Tourveranstalter aufgefallen. Luke Steele sieht keine Konkurrenten in MGMT, sondern Verbündete im Bestreben, eine gewisse Farbigkeit in den (Indie-)Rock zurückzubringen.

„Die Tage der Emo-Düsternis sind gezählt“, sagte er schon Ende letzten Jahres dem US-Magazin Spin. „Es ist Zeit, das bunte Leben zu feiern!“ Solche blumigen Statements muss man dem Mann nachsehen, dessen Tochter auf den Namen Sunny Tiger getauft ist. „Die Leute haben die Nase voll von Typen in Strickjacken“, sagt er jetzt. „Wir wollen wieder ein Element der Fantasie zurückbringen in die Musik.“

„Wir“, das sind Steele und Nick Littlemore, sein Partner bei Empire Of The Sun. Littlemore ist eine Hälfte des recht angesehenen australischen Dance-Duos Pnau. Man kennt sich länger, und irgendwann 2007 fingen die beiden an, zusammenzuarbeiten. Über mehr als ein Jahr hinweg und mit langen Pausen entstanden in Pnaus Studio in Sydney die Songs des Albums WALKING ON A DREAM, das jetzt mit etwas Verspätung auch in Deutschland erscheint. Und so unbrauchbar Luke Steele am Herd sein mag, so ansprechend ist das Ergebnis des Herumexperimentierens im Studio. 80s-sozialisierte Hörer werden speziell die Synthesizer-Sounds aufhorchen lassen, die wichtiges Standbein des eleganten Psychedelic-Pop von Empire Of The Sun sind. „Ich erinnere mich noch, wie frisch und neu die Sounds von Sachen wie Alan Parsons Project und Spandau Ballet damals klangen“, sagt Steele, 30, ebenfalls ein Kind der Wer. „Man findet diese Synthesizer ja kaum noch, aber Nick und Peter (Mayes; Littlemores Pnau-Partner und Co-Produzent von WALKING ON A DREAM – Anm.) sind da sozusagen Connaisseure. Die haben lauter so alte Synthies zusammengetragen in ihrem Studio. Alte Kawais, Yamaha CS-80, solche Sachen.“

Weil’s so schön ist, haben sich Steele und Littlemore einen Konzept-Rahmen zurechtgelegt. Auf Fotos und Artworks – und später auch in den Live-Shows, von denen man „theatralische Elemente“ und Multi-Media-Gedöns erwarten darf, „so was wie die Dafc-Punk-Shows“ inszenieren sich die beiden als aufgedonnerte weit/ zeitreisende „Superhelden“ (Steele) Captain Steele und Lord Littlemore. „Wir lehnen uns da ganz schön aus dem Fenster, auch auf die Gefahr, uns Spott auszusetzen“, kichert Steele. „Diese Characters sind angesiedelt zwischen dem, was wir leben und was wir träumen. Sagen wir so: Wenn man Johnny Depp trifft, dann trifft man ja in gewisser Weise auch Kapitän Jack Sparrow.“ Und damit lassen wir Captain Steele wieder zurück an seine Experimentierstation, damit er heute noch was in den Magen kriegt.

Albumkritik S. 77

www.walkineonadream.com