6. Golden Summernight – Darmstadt, Böllenfalltorstadion
Nicht alles ist Gold, was glänzt. Auch für die 6. Golden Summernight in Augsburg und Darmstadt mag dies gellen: Absoluter Besucher-Minusrekord (pro Festival kamen nur runde 6000 Zuschauer) und laue Musik waren in diesem Jahr Hauptmerkmale des traditionellen Open-airs. Bis zur letzten Minute munkelte man, das Freiluft-Spektakel solle ganz abgesagt werden, hinzu kamen speziell in Darmstadt Querelen mit dem Ordnungsamt Erst die Zustimmung des Verwaltungsgerichts machte die Summernight möglich Doch genug zur Vorgeschichte. Von stilistischer Neuorientierung sprach Veranstalter Sunnse, der in den letzten Jahren mit seinen Hardrock-Festivals gut beraten war. Police gab s als Headliner. Ob die Band jedoch dieser Rolle auch nur annähernd gerecht wurde, mag bezweifelt werden. Selten zuvor hat man das Trio so unmotiviert und lustlos auf der Bühne erleben können Schon beim Einstieg mit „Synchronicity“ wurde klar, daß – zumindest gegenwärtig – die Power weg. die Lutt raus ist. Das spontane Zusammenspiel mit kniffligen Arrangements, das die Polizisten früher auszeichnete, versickerte in schlaffen Melodiebögen. „Walking In Your Footsteps“, „Tea In The Sahara“ oder „Invisible Sun“ fehlten der Biß, obwohl viele Fans die Songs durch rhythmisches Klatschen halbwegs zusammenhielten. Auch Stings „Jodler“ kommen noch immer an. wirken jedoch mittlerweile überholt und veraltet. Wenn ihm auch immer noch gesangliche Qualitäten zugestanden werden müssen, so war es doch bezeichnend, daß er sich für diese Tournee mit zwei Chorsängerinnen verstärkte. Auch Andy Summers Gitarren-Künste sind langst nicht mehr die alten: seine Riffs den. Lediglich Copelands intelligentes Schlagzeug-Spiel sticht positiv heraus. Doch bei allen dreien steht zu sehr die Technik im Vordergrund: die Spontaneität kommt darüber zu kurz.
Auch die Single „Every Breath You Take“ oder die neue Auskopplung Wrapped Around Your Fingers“ machten da keine Ausnahme „Roxanne“ und „Can’t Stand Loosing You“ erinnerten fast wehmütig an alle, zweifelsohne bessere Zeiten, in denen sich bei Police natürliche Spontaneität und glänzende Kompositionen ideal ergänzten Heimlicher Festival-Renner war die britische Band UB 40. Der stilecht gespielte Reggae verbreitete seine „Vibrations“ im Publikum, sorgte für Kommunikation zwischen Musikern und Zuhörern. Neben ihren Klassikern „Present Arms“ und „One In Ten“ stellten die achl Musiker aus Birmingham vor allem Material ihrer neuesten LP vor Das spannend aufgebaute „Forget The Cost“ und die Hitnummer „Red Wine“ sind hierbei hervorzuheben. Besonders der Bläser-Satz riß die Zuhörer mit – und die Saxophon-Einlagen von Brian Travers erinnerten unwillkürlich an Madness Besonders durch ihre Vitalität überzeugte diese Gruppe, die dadurch auf Lightshow oder andere Effekthaschereien völlig verzichten konnte Keinen glücklichen Griff bewies der Veranstalter mit Joan Jett und ihren Blackhearts. die nach der Reggae-Lehrstunde von UB 40 folgten Was die Ex-Runaways-Gitarristin auf der Bühne bot, war nicht mehr als uninspiriertes Mittelmaß. Um bei einem ihrer Erfolgssongs zu bleiben. Es genügt eben nicht nur, den „Rock ’n‘ Roll zu lieben“, man muß ihn auch spielen können. Ein paar Nachhilfestunden etwa bei den Stray Cats waren da dringend ratsam! Als Joan dann noch die Stones-Hymne „Starlucker“ verhunzte, wurde doch vielen im Publikum klar, daß diese Lady keine Bereicherung des Festivals darstellte.
Mehr Feeling zeigte dagegen Gianna Nannini, die derzeit wohl keine Chance, sprich Auftritts-Möglichkeit ausläßt, um in deutschen Landen noch populärer zu werden. Neben ihrer rauchigen Stimme ist die südländische Rotzigkeit ein Markenzeichen von Gianna geworden. Gespielt wird gradliniger Rock, dem hier und da einige italienische Akzente beigefügt werden. Von „Latin Lover“ bis hin zu“.Primadonna‘ ein solider Auftritt, der wieder so manchen Zuhörer überzeugt haben durfte.
Der Nachmittag gehörte Kaagoogoo und Flock of Seagulls. Nach der Trennung von ihrem bisherigen Sanger Limahl ist bei den britischen Beaus eine musikalische Änderung in Richtung Funk zu spuren. Bassist Nick Beggs konnte als neuer Sänger allerdings nicht so recht überzeugen Die weiblichen. Fans vor allem waren jedoch bei jeder Ansage total aus dem Häuschen und schrien, was das Zeug hielt. Vor allem neue Songs wie „On A Plane“ und „Big Apple“ machten mit der Verstärkung durch einen Blasersatz die neue Marschrichtung deutlich.
Flock of Seagulls aus Liverpool dagegen klangen live wesentlich rockiger als auf ihren Studio-Produktionen Der elektronische Keyboards-Teppich von Mike Score. zugleich auch Sänger, ragte mit seinem warmen, erdigen Klang heraus. Highlights waren „Nightmares“ und „Wishing“, beide trotz Synthesizer-Einsatz recht transparente Nummern.
Opening-Act der diesjährigen Summernight waren die Lords Of The New Church. In schwarze Kleidung gehüllt, boten die vier – alle waren bereits bei legendären Punkbands dabei – eine aktualisierte Mischung aus New Wave und Punk. Diese Musik, explosiv und zerbrechlich zugleich, ließ selbst in den frühen Mittagsstunden aufhorchen. Von den „Lords“ wird man noch hören.
Ansonsten blieb ein schaler Nachgeschmack. Enttäuschung über diese verregnete Summernight und die Hoffnung aufs nächste Jahr, daß es dann wieder „golden“ wird.