5 Newcomer, die Ihr jetzt hören solltet
Die besten neuen Bands und Künstler, zuerst vorgestellt in der Musikexpress-Ausgabe 03/2018.
The Orielles
Flackernde Glühlampen in dunklen Industrieanlagen, entstellte Gesichter im Zwielicht: Okay, das also sind die Bilder, die Sidonie Hand-Halford begeistern. Mit rauer Hustenstimme erzählt Sid am Telefon von ihrer Liebe zu David Lynchs Horrortrip „Eraser- head“. Kein überraschendes Bekenntnis für eine Studentin der Medien- und Filmwissenschaft – wohl aber für die Schlagzeugerin des Trios The Orielles aus Halifax.
Denn Sid, ihre jüngere Schwester Esmé Dee und der gemeinsame Freund Henry Carlyle Wade haben nicht nur Namen, die zum Rockstarsein prädestinieren, sondern auch einen lebensbejahenden, quecksilbrigen Sound: The Orielles lauschen dem UK-Indie der späten Nullerjahre die Schrammelei, den Surf-Twang und die Girlgroup-Harmonien ab, unterwandern den Retrorock der reinen Lehre jedoch mit Disco-, Dub- und Funkadelic-Einflüssen, die aus der Garage geradewegs in den Orbit führen. Ihr Debütalbum SILVER DOLLAR MOMENT klingt, als habe die Popgeschichte dem Trio einen Obstkorb vor die Tür gestellt
– und zur Früchteschlacht geladen.
Mehr zu The Orielles findet Ihr in der Musikexpress-Ausgabe 03/18.
Klingt wie: Best Coast, Vivian Girls, Pixies, Childhood
Anna Burch
Wäre Anna Burchs Solokarriere ohne eine Trennung möglich gewesen? Womöglich nicht. Zwölf Jahre war Burch mit kurzer Unterbrechung Mitglied der Folkband Frontier Ruckus, dann war Schluss. „Ich bin da reingerutscht und gleich viel getourt“, erzählt sie. Damals ging sie aufs College und war 18 Jahre alt. „Ich war unreif, aber plötzlich ständig unterwegs. Ich mochte das Touren nicht!“ Als Sängerin, später Bassistin einer mittelbekannten Gruppe spielte sie einige gute und viele mäßige Konzerte. Sie schlief auf vielen verschiedenen, immer unbequemen Fußböden. Dann verließ Anna die Band einige Zeit, weil es so nicht weitergehen konnte: die Fußböden, die mäßigen Shows, die verpasste Selbstfindung, die mittelerfolgreiche Bandkarriere, die irgendwie was für Kaputte war. Sie studierte Film. Und machte weiter Musik. Die war schon seit ihrer frühen Kindheit in Michigan wichtig gewesen: „Meine Mutter leitete eine kirchliche Musikgruppe für Kinder. Wenn sie zu Hause Klavier spielte, setzte ich mich zu ihr und sang.“
Aus Annas eigenen Songs ist nun ihr Debüt QUIT THE CURSE entstanden. Sensibel ist es, und ein bisschen traurig. Anna Burch hat die Gabe, Situationen sehr genau zu beschreiben, in denen sich Menschen voneinander entfernen, die sich mal sehr nah waren. Vor allem beobachtete sie sich selbst, denn es gab ja das eine oder andere schmuddelige Techtelmechtel, das nachwirkt, wie sie sagt. Dann lacht sie schüchtern ins Telefon. In den Momenten, in denen sie wütend oder verärgert ist, schreibt sie alles auf. Songs entstünden nicht an den guten Tagen und überhaupt: „Ich habe noch nie einen fröhlichen Song geschrieben.“
Klingt wie: Frankie Cosmos, Sandy Alex G, Jay Som
Mehr zu Anna Burch findet Ihr in der Musikexpress-Ausgabe 03/18.
Noseholes
Dass die Debütplatte DANGER DANGER in Großbritannien über Harbinger Sound, das Label der Sleaford Mods, erscheint, ist ein Qualitätssiegel, das die Band mit viel Post-Punk-Lärm, No-Wave- Energie und tanzbaren Keller-Disco-Vibes bestätigt. Songs wie das tolle „Lush Box“ gehen mit ihren eingängigen Grooves immer gut in die Beine. Trotzdem schreckt das Quartett aus Hamburg aber vor keinem noch so weirden DIY-Experiment zurück: egal ob Bongo-Perkussion, irritierende Halleffekte, Fantasiesprache oder hektische Saxofon-Raserei.
Loma
Als Emily Cross und Dan Duszynski mit ihrem Bandprojekt Cross Record auf ihre erste Tour gingen, nahmen sie Jonathan Meiburg mit, den Sänger von Shearwater. Bald entstanden die ersten Songs als Trio, die dunkle, atmosphärische Sounds und Emilys lichtdurchlässigen Gesang zusammenführen. Lomas Stücke schleichen sich mit den vielen verschiedenen Geräuschen, Farben und Temperaturen ganz leise ins Ohr, um dann als wohliges Kribbeln den Rücken hinabzuwandern. Bestes Bespiel: die Single „Black Willow“, in der es zärtlich zugeht und tief hinein in nachtgraue Abgründe.
Mia Diekow
Nachdem vor sechs Jahren ihr Debüt unter Major-Fahnen erschienen war, hat Mia Diekow nun noch mal von vorn begonnen. ÄRGER IM PARADIES ist eine Sammlung nachdenklicher, schöner und ehrlicher Lieder über die Irrwege des Lebens. Woher: aufgewachsen in Hamburg, wohnt in Berlin. So subjektiv die Texte das Tasten, Suchen und Hadern einer jungen Frau beschreiben, so eigenwillig sind auch die Kompositionen, die Einflüsse aus Chanson, Jazz, Kammer-Pop, Folk und Filmmusik mischen. Auch so kann deutschsprachiger Pop eben klingen.