5 Fragen an The Vines


Drummer Hamish Rosser über Tour-Absagen, die Beach Boys, Genialität und Autismus.

Habt ihr die ganzen Dramen um Craig Nicholls und seine Krankheit gestärkt überstanden?

Das kann man sagen. Wir mußten ja echt was durchmachen, und das resultierte in wirklich guten Songs. Du kannst es den Liedern anhören, daß Craig sie in einer der dunkelsten Phasen seines Lebens geschrieben hat. Im Mai 2004 mußten wir plötzlich alle weiteren Konzerte abblasen; wir saßen da und dachten: Scheiße, wir sollten vielleicht überlegen, ob wir ein neues Album machen. Ohne Album wäre es vorbei gewesen. Wir wären keine aktive Band mehr gewesen.

2 Was habt ihr nach dem Tour-Desaster gemacht, als ihr wieder zu Hause wart?

Es war ein sehr eigenartiges Gefühl. Wir sollten ja auf eine Riesentour mit Incubus gehen. Jetzt standen wir da, wußten nicht, was aus den Vines wird, wußten nicht, was mit Craig los ist. Ihm ging es miserabel, wir hatten keine Ahnung, warum. Alle guckten uns mitleidig bis vorwurfsvoll an und meinten, wir hätten alle Möglichkeiten und nutzten sie nicht. Dann stieg auch noch unser Bassist Patrick aus. Es konnte wirklich nicht mehr schlimmer werden. Man muß das aber auch mal relativ sehen: Viele Bands haben erlebt, daß eines ihrer Mitglieder stirbt. Und haben trotzdem weitergemacht. Bei uns ist niemand gestorben.

3 Was war denn Craigs Vision für die neuen Songs?

Er hat gesagt, er wolle ein härteres Album machen. Was es meiner Ansicht nach auch ist. Aber er macht vorher keine echten Pläne, wie ein Album werden soll. Er legt einfach los, und dann kommt heraus, was herauskommt. Er hat kein Muster, zumindest kein erkennbares, aber es funktioniert. Craig hat ziemlich gut ausformulierte, entwickelte Songs, wenn er uns die dann vorspielt. Man wundert sich oft, wo er das herholt. Sein Sinn für Melodie ist einmalig. Es ist ja ein Sympton der Asperger-Krankheit, daß die Patienten extrem fokussiert sind auf eine einzige Sache. Bei dem Typen in „Rain Man“ waren das Zahlen und alles, was mit Mathematik zu tun hat. Für Craig ist es Musik. Brian Wilson von den Beach Boys hat auch Asperger. Die haben dann auch ewig nicht getourt. Erblieb daheim und machte Pet Sounds.

4 Ihr seid seit Jahren befreundet. War es auch eine Erleichterung, als seine Krankheit endlich erkannt wurde, als ihr wußtet: Aha, Asperger-Syndrom?

Eigentlich hat es gar nicht so viel verändert, wie Außenstehende vielleicht glauben. Erst mal ist es ja nicht heilbar. Craig kann nicht einfach drei Pillen nehmen und ist wieder gesund. Er ist mit dieser Krankheit geboren, und sie wird ihm sein ganzes Leben erhalten bleiben. Aber Asperger erklärt vieles in seinem Benehmen. Der Arzt, der ihn diagnostiziert hat, meinte, eine Tournee sei das Ungünstigste, was einem Patienten mit Asperger passieren könne. Da ist er ständig wechselnden Umgebungen ausgesetzt. Menschen mit Asperger sollten feste Routinen haben und an einem Ort bleiben. Falls wir auf Tour gingen, könnte es sein, daß er wieder explodiert. Das macht es für uns als Tourband schwer. Wenn wir auftreten, fangen wir erst mal in Australien an. Langstreckenflüge sind für Craig auch so eine Sache.

5 Waffe es dich überrascht, daß Craig Autist ist?

Als ich ihn das erste Mal sah, waren wir in einer Bar. Er schien mir recht verwirrt, als versuchte er, fünf Gespräche gleichzeitig zu fuhren. Außerdem schaute er mich nie an. Ich sagte Patrick, der gerade mit ihm die Vines gegründet hatte, daß ich das Gefühl habe, Craig weise klare Symptome von Autismus auf. Aber er meinte: Nee, nee, der ist bloß ein bißchen verrückt. Dann redete ich mir auch ein, daß er okay ist. Schließlich verhält er sich ja manchmal recht normal und macht Dinge, die nicht autistisch wirken. Am Ende war es unser Gitarrentechniker, der uns zur Seite nahm und meinte: „Paßt mal auf, Jungs, ich bin mir sicher, euer Sänger ist Autist.“ Typisch ist, daß er unfähig ist, die Gefühle anderer Menschen zu erkennen. Wenn er mit dir redet und dich verärgert, kriegt er das nicht mit. Also machte er ständig die Leute um ihn herum wütend, und alle dachten: Was ist das für ein blöder Sack? Daraus hat er seine Lehren gezogen, er will ja niemanden absichtlich böse machen, Craig ist im Grunde ein ganz lieber Kerl. Also reagiert er immer freundlich, egal was ist. Das kann zwar auch zu seltsamen Momenten führen, ist aber besser, als wenn er wieder alles kurz und klein schlägt.

www.thevines.com