5 Fragen an Mille Petrozza


Der Kopf der Essener Thrash-Metal-Heroen Kreator über die Überwindung der Weltmetalkrise der 90er, seine Wertschätzung für Blumfeld und Tocotronic sowie hochgerollte Zehennägel beim Hören von Nightwish.

1. Mitte der 90er erschien das Magazin Rock Hard einmal mit einem Sarg auf der Titelseite und fragte provokant: „Ist der Metal tot?“ Warum lebt er 2009 immer noch und ist so erfolgreich wie lange nicht?

So wie der Metal Anfang der 90er-Jahre war, brauchte er auf jeden Fall eine Frischzellenkur. Bands wie Iron Maiden und Judas Priest waren kreativ ziemlich am Ende, Metallica waren mit dem „Schwarzen Album“ im Mainstream angelangt. Und plötzlich wurden Bands als Metal bezeichnet, die gar kein Metal waren. Ich erinnere mich, dass damals viele Metal-Musiker nach Seattle zogen, um dort in einer Grunge-Band zu spielen. Hinterher kamen sie dann wieder und tauchten in irgendwelchen reformierten Thrash-Bands auf. Aber jede Gegenbewegung durchlebt mal eine Krise, so auch der Metal. Und der lebt auch deshalb noch, weil viele Metal-Hörer nach dem Überstehen dieser Krise ein ganz anderes Selbstbewusstsein haben und sagen: Wir sind Metaller, fertig, Punkt.

2. Hast du dir damals auch Sorgen um deine eigene Band Kreator gemacht?

Auf jeden Fall war es eine verwirrende Zeit. Alles, was nicht Grunge, Industrial, Nu-Metal oder sonst irgendwie modern war, galt als nicht cool. Damit musste man erst mal umgehen. Und natürlich haben Metal-Platten in den 90ern nicht mehr so gut verkauft wie im Jahrzehnt davor. Zum Glück hatten wir in den 90ern gerade unsere experimentelle Phase und wollten nach fünf Platten, die alle einen ähnlichen Stil hatten, mit RENEWAL. etwas Neues ausprobieren. Viele Kreator-Fans fanden die Platte nicht gut, aber sie hat sicher andere Bands dazu inspiriert, sich zu erneuern. Wahrscheinlich kam sie etwas zu früh.

3.Der norwegische Black Metal der 90er hat noch immer großen Einfluss auf den Metal von heute. Aber gerade diese Szene ist auch Nährboden für schwarze Schafe mit zweifelhaften Ideologien. Kann man das einfach ausblenden?

Schwierige Frage. Ich könnte mir definitiv keine Band mit rechtsradikaler Aussage anhören. Ich würde auch nicht gezielt nach solchen Bands suchen. Auch Kokettieren mit rechtem Gedankengut kann ich einfach nicht haben. Davon abgesehen bin ich aber Black-Metal-Fan der ersten Stunde und fühle mich der Szene sehr verbunden, weil ich diese ganzen Leute persönlich kenne und die mir gegenüber immer als nett, freundlich und weltoffen rübergekommen sind. Als dann damals der Pressehype kam, so von wegen: „alles Kirchenanzünder, Mörder und Gemeingefährliche!“, dachte ich: Das kann nicht sein, die müssen über andere Leute reden.

4. Für die Compilation A TRIBUTE TO SLIME habt ihr mit Thees Uhlmann von Tomte und Nagel von Muff Potter den Song „Alle gegen Alle“ aufgenommen. Auf dem neuen Kreator-Album HORDES OD CHAOS zitierst du Ton Steine Scherben und eine Zeile aus dem Tocotronic-Lied „Freiburg“. Wird dem gemeinen Kreator-Fan da nicht schon vom Mitlesen übel?

Haha! Na ja, ich bin einfach schon immer großer Freund von solcher Musik gewesen. Allein was die Texte betrifft, gibt es doch kaum eine bessere Band als Tocotronic, und „Die Diktatur der Angepassten“ von Blumfeld ist eines meiner Lieblingslieder. Ich habe damals Ende der 80er schon so Sachen wie Boxhamsters gehört, das lief für mich immer parallel zum Metal und war nichts Besonderes. Aber ich weiß schon, was du sagen willst: Natürlich gibt es auch Metal-Typen, die sich so etwas gar nicht erst richtig anhören würden, weil die Vorurteile von vornherein viel zu groß sind. Ich war ja selbst lange Zeit abgeschreckt von Tocotronic, weil ich die immer mit den Sternen verwechselt habe und die fand ich grauenhaft. Die alten Tocotronic-Sachen sind unglaublich brutal – musikalisch und von der Aussage her. Und ich will nicht nur Metal hören, das deckt einfach nicht alle meine Stimmungen ab. Vielleicht hören manche anderen Metaller in einer ruhigen Minute ja Nightwish, aber das kann ich nicht, da rollen sich mir die Zehennägel hoch.

5.Was hörst du momentan stattdessen am liebsten?

Die neue Testament ist ganz gut, die neuen Alben von Slayer und The Cure auch. Aber richtig umgehauen haben mich in letzter Zeit Dredg und Does It Offend You. Yeah? Außerdem habe ich letztes Jahr Arcade Fire entdeckt – großartig, die sind zu einer meiner absoluten Lieblingsbands geworden. Ich suche im Moment eh immer nach neuer Musik. Irgendwie kommt da in letzter Zeit nicht so viel.