30 Leute auf der Kirchenbühne
The Hidden Cameras: Vielen sagt Mississauga erst einmal gar nichts. Die Stadt in der Nähe von Toronto ist, obwohl erst 1974 gegründet, die sechstgrößte und am schnellsten wachsende Kanadas. Aber eine schöne Vertreterin ihrer Art ist sie nicht, zumindest wenn man Joel Gibb, dem Dreh- und Angelmann von The Hidden Cameras, glaubt. Joel hat seine Jugend dort verbracht und weiß, wovon er spricht, wenn er das neue Album mississauga goddam nennt. „Das Ganze ist riesiges Vorortödland, bei dessen Gestaltung intelligente Stadtplanung nie eine Rolle spielte. Man hat Geschäftshäuser wie Schachteln ohne ästhetische Gesichtspunkte aneinandergereiht. Da muss man sich einfach unwohl fühlen“, findet Gibb, der mittlerweile in Toronto lebt und von dort aus kräftig gegen diverse Konventionen des Musikgeschäfts rebelliert: Im Extremfall kann das nicht festgelegte Line-Up von The Hidden Cameras auf bis zu 30 Personen anwachsen. Auftritte finden nicht in üblichen Rockclubs, sondern in Kirchen, Theatern und Pornokinos statt. „Ich übernehme die Buchung für die Gegend um Toronto selbst. Konzertagenturen würden sich um meine Ideen doch gar nicht kümmern, denn es gäbe für mehr Arbeit weniger Geld. Wir verkaufen keine Karten, man zahlt an der Tür. Sicherheitspersonal entfällt ebenso wie dos Mindestalter für Besucher. Solche Konstellationen schaffen eine lockere Atmosphäre, die aus einer Veranstaltung ein besonderes Ereignis macht.“ Die Kirchen haben keine Probleme mit Gibbs weltlichen Wünschen, schließlich sind The Hidden Cameras keine Rock’n‘ Roller, die mit Lautstärke protzen. Ihre Musik wurde von der englischen Musikpresse als „gay church folk“ beschrieben, was durchaus trifft. Gibb gehört zu den immer noch nicht besonders zahlreichen Musikern, die keinen Hehl aus ihrer gleichgeschlechtlichen Orientierung machen: Einer seiner bekanntesten Songs heißt „The Man That I Am With My Man“. „Es hat tatsächlich schon Leute gegeben, die ernsthaft meinten, wir könnten noch erfolgreicher sein, wenn einige Texte nicht auf dos Schwulsein hindeuten würden. Doch wer bitte schließt denn jemanden aus ? Wenn Bob Dylan davon singt, wie er seine Frau flachlegt, kann ich mich doch auch bestens hineinversetzen.“